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848 Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773)
Philosophie
abseits der
Universität :
Iuvenalis
Annaniensis
Biographie
Werk In Rudolf Eislers gutem alten Philosophen-Lexikon liest man folgenden lako-
nischen Eintrag (Eisler 1912, 203) : „Giovenale, 1635–1713, ein Mönch aus Tirol.
Lehrt ähnlich wie Malebranche.“ Wer war dieser Tiroler Mönch, der Eingang in ein
philosophiehistorisches Standardwerk fand, und was hat er mit dem groĂźen Nicolas
Malebranche zu schaffen ?11
Giovenale Ruffini wurde als Sohn des adeligen Schlosshauptmanns von Cas-
telfondo im Nonstal (lat. Anaunia) geboren, woher auch seine spätere Selbstbe-
zeichnung Iuvenalis Annaniensis (eine Variante von Anauniensis) rĂĽhrt. Mit elf
Jahren wurde er zu den Benediktinern in Marienberg geschickt, um Deutsch zu
lernen. Später besuchte er die Jesuitengymnasien in Trient und München. Mit 17
Jahren trat er in Schärding in den Kapuzinerorden ein. Das ordensinterne Studium
der Philosophie brachte ihn nach Ried im Innkreis. Über weitere mögliche Auf-
enthaltsorte während seiner Ausbildung fehlen uns Informationen. Im Weiteren
wurde Iuvenalis mit zahlreichen Ämtern betraut : Er war Prediger, Lektor der scho-
lastischen Theologie, Novizenmeister, Guardian, viermal (1680, 1686, 1692 und
1698) Provinzial der Tiroler Ordensprovinz, sieben Jahre Generaldefinitor und zwei
Jahre Generalkommissär und Visitator in der Provinz Flandern und Belgien. Die
16 letzten Lebensjahre verbrachte er in Innsbruck. Nicht nur die Ordenschronis-
ten12 schildern ihn als einen bedeutenden Gelehrten, sondern auch auĂźerhalb des
Ordens stehende Schriftsteller zollten ihm ihre Anerkennung.
Während sich die Mehrzahl von Iuvenalis’ Schriften der Theologie zuordnen
lassen, verdienen zwei Werke aus philosophiegeschichtlicher Sicht besonderes Inte-
resse : Zum einen sein 1686 erschienenes Hauptwerk, Solis intelligentiae […] lumen
(„Das Licht […] der Sonne der Erkenntnis“; vgl. Abb. 138), das eine Erkennt-
nistheorie auf christlichem Fundament bietet ; zum anderen eine Bearbeitung von
Ramon Llulls Ars magna („Große Kunst“), die eine Anleitung zum Auffinden und
Kombinieren von Begriffen und damit eine Art philosophische Topik darstellt.
unvollständigen Darstellung des Syllogismus eine Zusammenfassung des Beginns von Aristoteles’
Meteorologika enthält. Schwieriger einzuordnen ist die ebenfalls ins 18. Jh. zu datierende Hs. BCT,
ms. 1618, deren Titel „Anfangsgründe der Geographie und Astronomie nebst einer zeitsparenden
und einfachen Methode, Sonnenuhren zu konstruieren“ verspricht, die sich aber de facto auf einen
Abriss der Geographie und Hydrographie beschränkt : keines von beidem kommt in der Ratio stu-
diorum zur Sprache.
11 Vgl. zu Iuvenalis’ Leben und Werk besonders Tartarotti 248–255 ; Gnesotto 1891 ; Chiocchetti
1923 (macht Chiocchetti 1910 obsolet) ; Borzaga 1952 ; Überweg 4,1, 250–252, 287–288 und
380 ; die Dissertation von Lecore 1941, zitiert bei Menke 1980, 75, konnte nicht aufgefunden
werden.
12 Vgl. z.B. Hohenegger, Bd. 1, 733 : „[Iuvenalis] kann wohl als der vorzüglichste Schriftsteller, den die
Provinz zu dieser Zeit hatte, bezeichnet werden.“
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322