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Philosophie und Naturwissenschaft 857
Ramon Llull und
die Tradition der
Kombinatorik
Begriffszirkel ;
Aufbau
Das Werk ist Iuvenalis’ persönliche Kurzfassung einer Tradition von kombi-
natorischen Lehren seit Ramon Llulls Ars magna (abgeschlossen ca. 1305 ; nach
ihrem Begründer spricht man auch von „Lullischer Kunst“ ; vgl. HWdPh 1, 524–
525). Llull entwickelte ein System theologischer und philosophischer Attribute,
die nach gewissen Mustern angeordnet waren und kombiniert werden konnten.
Dieses System sollte zugleich die Struktur des Seienden erfassen, zur Produktion
von Wissen über dieses dienen und so Stoff für überzeugende Argumente zur
Verbreitung und Verteidigung des christlichen Glaubens liefern. Llull selbst ver-
fasste eine Kurzfassung seines Hauptwerks, die Ars brevis („Kurzgefasste Kunst“).
Spätere Autoren führten diese Tradition im Sinn einer universalen Lehre zur Pro-
duktion von Rede und Wissen auf christlich-theologischer Basis fort. Iuvenalis
zitiert die für ihn wichtigsten in seinem Prolog (1) : Pedro Hieronymo Sanchez
de Lizarazo (Generalis methodus ad omnes scientias facilius adiscendas, „Allgemeine
Methode zur leichteren Erlernung aller Wissenschaften“ ; Tarazona 1619), Yves de
Paris OCap (Digestum sapientiae, „Zusammenfassung der Weisheit“ ; Paris 1648),
Sebastián Izquierdo SJ (Pharus scientiarum, „Leuchtturm der Wissenschaften“ ;
Lyon 1659) und Athanasius Kircher SJ (Ars magna sciendi, „Große Kunst des
Wissens“ ; Amsterdam 1669).
Schon Llull entwickelte verschiedene geometrische Figuren zur Auffindung und
Kombination von Begriffen. Ein mehrgliedriger Zirkel erwies sich dabei als be-
sonders brauchbar. Iuvenalis’ praktischer Leitfaden schließt hier an. Er verzichtet
auf eine ausführliche Theorie der Kombinatorik und stellt dem Text gleich seinen
eigenen, gegenüber dem lullischen Original nur leicht erweiterten Begriffszirkel
voran (vgl. Abb. 140). Der folgende Text bezieht sich laufend auf diese Figur und
die darin enthaltenen Kategorien. Er ist in zehn Paragraphen eingeteilt, deren zwei
letzte Exkurscharakter haben und weiterführende Aspekte behandeln. In einer Ap-
pendix folgt eine aus der Anwendung der Kombinatorik gewonnene Musterpredigt.
Ordinis ratio („Begründung der Anordnung“ ; § I) : Bevor etwas zueinander in Bezug ge-
setzt werden kann, müssen den Dingen absolute Eigenschaften zukommen : Diese sind im
ersten Zirkel enthalten ; der zweite weist ihnen relative Eigenschaften zu ; der dritte Sub-
jekte ; der vierte natürliche Akzidentien ; der fünfte moralische Akzidentien der Tugend ;
der sechste moralische Akzidentien des Lasters ; der achte Unterscheidungen, die zur Er-
kenntnis von Dingen nützlich sind. Es folgt eine detailliertere Erörterung der in den ein-
zelnen Zirkeln enthaltenen Begriffe. Memoriter addiscenda („Einprägen ins Gedächtnis“ ;
§
II) : Eine Mnemotechnik zum Auswendiglernen der Begriffe, u.a. werden ihnen Chiffren
(meist Buchstaben) oder Bilder zugeordnet : z.B. der Güte (bonitas) der Buchstabe B und
eine Hand, die sich öffnet, um etwas zu spenden ; der Größe (magnitudo) ein M und ein
Mann, der seine Arme weit ausbreitet ; der Dauer (duratio) ein D und eine Sanduhr ; dem
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322