Page - 889 - in TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Image of the Page - 889 -
Text of the Page - 889 -
Rechtswissenschaft 889
Disquisitio de
tortura
rii („Gerichtsschreiber“). Das zweite Buch beinhaltet den modus procedendi eines jeden
Prozesses, Grundlegendes zum Inquisitionsprozess und dessen Rezeption in Deutschland
sowie einige Prozessformeln.
Unter Bannizas weiteren Werken zum Strafrecht sei noch eines vorgestellt, das mit
der Folter ein damals hochaktuelles Thema berĂĽhrt : die Disquisitio de tortura nec ex
integro reprobata nec ex integro adprobata („Erörterung über die Folter, die weder zur
Gänze verworfen noch zur Gänze gebilligt wird“ ; Innsbruck 1774). Der Titel der
100 Seiten starken, übersichtlich in 75 Paragraphen gegliederten Schrift lässt bereits
ihre StoĂźrichtung erahnen : Banniza bemĂĽht sich um eine ausgewogene Behand-
lung und plädiert zwar nicht für die Abschaffung, wohl aber für eine starke Ein-
schränkung der Praxis. Damit befindet er sich ganz im Einklang mit der Tendenz
der Theresiana, welche die Folter noch beibehielt, aber bereits stark reglementierte.
Nach einleitenden Hinweisen auf die aktuelle Kontroverse zum Thema (§§Â
1–3) setzt sich
Banniza zunächst mit der bisherigen Literatur auseinander (§§ 4–44). Als erstes zählt er
die Argumente der Foltergegner auf, unter denen am häufigsten der bekannte Strafrechts-
reformer Cesare Beccaria (1738–1794) genannt wird : Zum Beispiel stelle die Folter eine
Strafe dar, der kein Urteil zugrunde liege, widerspreche aufgrund des Zwangs zur Selbst-
beschuldigung dem naturrechtlich begründeten Verbot der Selbsttötung, führe zu Falsch-
aussagen, da immer zuerst geleugnet und dann gestanden werde, sowie zu Verleumdungen,
da die Gefolterten auch andere Leute beschuldigten, und ihr Ergebnis sei nicht von der
Wahrheit, sondern von der Widerstandskraft des Delinquenten abhängig (§§ 4–11). Es
folgen Argumente der FolterbefĂĽrworter (§§Â
12–14). In der Folge widerlegt Banniza zuerst
die Ansichten der Gegner (§§ 15–34), dann die der Befürworter (§§ 35–44). Jenen wird
zunächst pauschal entgegengehalten, die Folter sei zum Beweis mancher Verbrechen uner-
lässlich und besitze ein hohes Abschreckungspotenzial, weshalb ohne sie fatale Folgen zu
erwarten wären (§Â
17) :
Atque id ipsum eo magis eoque certius timendum est, quum natura humana depravata potius
ad malum quam ad bonum proclivis sit plurimique mortalium a criminibus aliisque actibus
flagitiosis non virtutis amore, sed metu poenarum, quibus alias se se exponerent, abstinere so-
leant.
Und ebendies ist umso mehr und sicherer zu fĂĽrchten, als die menschliche Natur ver-
dorben ist und eher zum Bösen als zum Guten neigt und die meisten Menschen sich von
Verbrechen und anderen Schandtaten nicht aus Liebe zur Tugend, sondern aus Angst vor
den Strafen, denen sie sie sich sonst aussetzen wĂĽrden, fernzuhalten pflegen.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322