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892 Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773)
Staidel, Lex
naturae propugnata leitung der weltlichen Hoheitsgewalt von der Herrschaft Gottes. Mit der Erkenntnis des
Naturrechts und seinen Funktionen befasst sich Kap. 5 : Ausgehend von seiner Definition
als voluntas Dei libera in signo rationis (63 ; „freier Wille Gottes im Zeichen der Vernunft“)
erläutert Riegger seine Anwendungsbereiche und postuliert folgende drei Prinzipien, aus
welchen sich das gesamte System ableiten lasse : I. Cole Deum, II. Conserva te ipsum, et III.
Serva societatem cum aliis. (77 ; „1. Ehre Gott ; 2. Schütze dich selbst ; und 3. Bewahre die
Gemeinschaft mit den anderen.“) Die Rolle des Verstandes bei rechtlich relevanten Hand-
lungen ist das Thema von Kap. 6 ; der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Umgang mit dem
Gewissen. Dem Willen als zweitem Urheber menschlicher Handlungen und den Umstän-
den, die seine Freiheit einschränken, widmet sich Kap. 7. Kap. 8, De actionum humanarum
imputatione („Über die Zurechnung der menschlichen Handlungen“), behandelt die Sub-
sumption einer Tat unter die gesetzlichen Regelungen unter Anwendung der in Kap. 6 und
7 besprochenen Grundsätze.
Giovanni di Dio Staidels (s. hier S.Â
823) Lex naturae propugnata („Verteidigung des
Naturrechts“ ; Trient 1765) zeigt, dass man sich über das Naturrecht auch abseits
der Universität Gedanken machte. Obwohl der Autor kein aufgeklärter Professor,
sondern ein romtreuer Geistlicher war, sind die inhaltlichen Analogien zwischen
seinem Werk und Rieggers Systema evident.
Die Lex naturae gliedert sich in zwei Teile zu je 22 Kapiteln. Kap. 1–3 des ersten Teils
beschäftigen sich mit dem Naturrecht in der Antike, wobei Staidel v.a. auf Ciceros De
legibus, daneben auch auf Senecas De vita beata und Epistulae morales zurĂĽckgreift. An-
schließend (Kap. 4–7) wird argumentiert, das Naturrecht sei durch die göttliche Voraus-
sicht begründet, und ein natürliches Rechtsempfinden ohne die Annahme eines Schöpfers
sei undenkbar. Auch die Natur des Menschen als soziales Wesen habe ihren Grund im
Naturrecht (Kap. 8–9). Dieses sei schlechthin eine Notwendigkeit (Kap. 10). Kap. 11–13
widmen sich mit der Pflicht, die Eltern zu lieben, und dem Verbot von Mord und Ehe-
bruch einzelnen naturrechtlichen Geboten. In Kap. 14–19 werden Prinzipien des Natur-
rechts wie Tugendstreben, Selbsterhaltung und naturgemäßes Leben diskutiert sowie das
widernatĂĽrliche Verfallen in Laster getadelt. Zum Schluss versucht Staidel unter teilweiser
Wiederholung zu Beginn geäußerter Argumente, die Existenz des Naturrechts zu bewei-
sen (Kap. 20–22). Der zweite Teil widmet sich v.a. der Widerlegung seiner Gegner (Kap.
1–18). Beispielsweise wird in Kap. 1 und 2 auf den Einwand geantwortet, die bei vielen
Menschen fehlende Kenntnis des Naturrechts zeige, dass es dieses in Wirklichkeit gar nicht
gibt : FĂĽr Staidel wissen vielmehr auch diejenigen, die das Naturrecht ĂĽbertreten, um seine
Realität. Später versucht er etwa die Vorstellung, Gutes werde auf der Welt nicht belohnt,
Schlechtes nicht bestraft (Kap. 12), oder die Idee zu entkräften, das Rechtsempfinden sei
lediglich anerzogen (Kap. 15). In Kap. 19–20 werden die genannten Argumente und Ge-
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322