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986 Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848
Vannetti :
Liber memorialis
de Caleostro
Neutralität Tatsächlich ist Lorenzis Biographie nicht nur unsere wohl beste Quelle zu Girolamo
Tartarotti selbst, sondern bietet auch eine FĂĽlle wertvoller Einblicke in die literari-
sche Kultur seiner Zeit insgesamt.
Vom 6. 9. bis zum 22. 10. 1788 hielt sich der damals in ganz Europa berĂĽhmte
Wunderheiler, Alchimist und TrickbetrĂĽger Alessandro di Cagliostro (eigentlich
Giuseppe Balsamo, 1743–1795) gemeinsam mit seiner schönen Frau Lorenza in Ro-
vereto auf. Wie ĂĽberall, wo er hinkam, schieden sich an ihm auch in der Welschtiro-
ler Kleinstadt die Geister : Die einen hielten ihn für einen echten Wundertäter, die
anderen fĂĽr einen gerissenen BetrĂĽger. Clementino Vannetti veranlasste das Aufse-
hen, das Cagliostro erregte, zwar nicht dazu, seine Bekanntschaft zu machen, wohl
aber zur Abfassung des Liber memorialis de Caleostro, quum esset Roboreti („Buch
der Aufzeichnungen über Cagliostro, als er in Rovereto war“).4 Das Buch entstand
zuerst als Serie von Briefen an Vannettis Veroneser Freund Giuseppe Pederzani (vgl.
Opere, Bd. 7, iv) und zirkulierte dann hs. in Italien und Deutschland. SchlieĂźlich
wurde es 1789 ohne Angabe von Autor, Verleger und Druckort durch Stefano Te-
toldini in Mori gedruckt (Ndr.: Opere, Bd. 7, 3–32). Wie der Verleger im Vorwort
(3–4) angibt, geschah das auch mit dem Ziel, der Entstellung des Werkes durch
Abschreibefehler und willkĂĽrliche Ă„nderungen einen Riegel vorzuschieben.
Vannetti teilt seinen Bericht, ähnlich wie er das auch in seinen Leichenreden und sonstigen
biographischen Werken tut, in – insgesamt 16 – Paragraphen ein (die im Wesentlichen
den einzelnen Briefen entsprechen). Der erste und letzte schildern Cagliostros Ankunft
bzw. Abreise. Dazwischen erzählt Vannetti in im Wesentlichen chronologischer Folge vom
Aufsehen, das der Wundermann hervorruft, vom Zustrom Kranker zu ihm, von seinen
mehr oder weniger geglĂĽckten Heilungen, seinen Auftritten in Gesellschaft, den autobio-
graphischen Geschichten, die er zum Besten gibt, und von den aufgeregten Diskussionen,
die sich an seiner Tätigkeit als Arzt, seinem Freimaurertum und seiner Person insgesamt
entzĂĽnden.
Zwei Charakteristika sind es, die bei der LektĂĽre von Vannettis Bericht sofort ins
Auge springen. Das erste deutet sich schon im nĂĽchtern-dokumentarisch klingen-
den Titel an : Vannetti wahrt durchgehend strengste Neutralität und enthält sich,
was Cagliostros Person betrifft, jeder Wertung. Er berichtet von Wunderheilungen
und von Mirakeln wie dem gleichzeitigen Auftreten eines zweiten Cagliostro in Mai-
land (§ V) ebenso wie von Fehlschlägen und überlässt das Wort im Übrigen ganz
4 Der folgende Überblick stützt sich neben dem Text selbst auf Romagnani 1998, 220–228, der das
Umfeld des Liber memorialis schön ausleuchtet (dort auch die ältere Literatur). Dass Vannetti Cag-
liostro nicht persönlich kennengelernt hat, sagt er selbst im Liber memorialis (Opere, Bd. 7, 28).
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322