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1014 Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848
Inhalte und gegen den Nächsten, teils nach dem Subjekt, indem die Obliegenheiten bestimmter
Stände behandelt werden.10 Im dritten Teil geht es darum, was die Tugend hemmt und
was sie fördert, wobei unter die zweite Kategorie einerseits die Sakramente, andererseits
weitere Hilfsmittel wie z.B. Gebet und Meditation fallen.
Inhaltlich entspricht das Gebotene in vielem dem, was sich in Stapfs fast titelglei-
chem opus magnum findet. Hier können nur einige Schlaglichter auf besonders inte-
ressante Aspekte fallen. Besonders deutlich ist die Übereinstimmung mit Stapf etwa
in Peintners explizitem Bekenntnis zur geoffenbarten Religion (Teil 1, § 11) sowie in
seinem Unbehagen über die Ende des 18. Jhs. verschwimmenden Grenzen zwischen
Philosophie und Theologie (Teil 1, § 26). Auch Stapfs Schwierigkeiten mit Kant und
dessen ethischem Rigorismus finden sich in ähnlicher Form bei Peintner wieder (Teil
1, § 60) ; Peintner selbst räumt der Idee der Billigkeit und der clementia („nachsich-
tige Güte“) große Bedeutung ein (Teil 1, § 57 ; Teil 2, § 116). Überhaupt sieht er im
geistigen Leben seiner Zeit viele Gefahren lauern, so z.B. Epikureismus, Deismus,
Naturalismus und religiösen Libertinismus (Teil 3, § 4). Recht modern mutet dage-
gen seine positive Einstellung zur Selbstliebe an, die er nicht als Egoismus, sondern
als Ansporn versteht, an der eigenen Vervollkommnung zu arbeiten (Teil 2, § 39).
Diese ist nicht nur in seelischer (§§ 41–44) und sozialer (§§ 54–55), sondern auch
in körperlicher Hinsicht anzustreben (§§ 45–53). Bemerkenswert sind in diesem Zu-
sammenhang v.a. die Ausführungen zur gesunden Ernährung und zur Sündhaftigkeit
eines gesundheitsschädlichen Lebensstils, z.B. des Alkoholmissbrauchs (§§ 45–46).
An manchen Stellen finden sich sogar kirchenkritische Ansätze. So kommt Peintner
etwa auf fingierte Wunder und falsche Reliquien zu sprechen (Teil 2, § 34) und weist
der Kirche eine Teilschuld an vielen zeittypischen Übeln zu, weil ihre Gesetze mit-
unter unklar seien oder nicht angemessen exekutiert würden ; auch komme es vor,
dass unwürdige Personen steile kirchliche Karrieren durchliefen (Teil 3, § 12). Ein
interessantes Dokument der Gesellschaftsgeschichte des 19. Jhs. sind schließlich die
Ausführungen über die Pflichten verschiedener Personengruppen : Peintner behan-
delt in diesem Sinne die Ehe (Teil 2, §§ 136–140), die Beziehungen zwischen Eltern
und Kindern (§§ 141–142), Herren und Dienern (§§ 143–144) und Vorgesetzten
und Untergebenen (§§ 145–146) sowie die Pflichten der Kleriker (§§ 147–150).
10 In diesen Teil sind am Ende des ersten Bandes auf 1835 datierte Adnotationes in tractatum De iure et
iustitia iuxta reverendum patrem Theodorum theologiae moralis lectorem Jos. Amb. Stapf („Anmerkun-
gen zum Traktat Über Recht und Gerechtigkeit des Joseph Ambros Stapf nach dem ehrwürdigen Pater
Theodor, Lektor der Moraltheologie“ [?]) eingeschoben. Der Grund für den Einschub liegt ebenso
im Dunkeln wie die Identität des Pater Theodor und des anscheinend kanonistischen Werkes, das er
kommentiert ; auch ob dieses wirklich von Stapf stammt, ist unklar, da man sich den Autornamen
eigentlich direkt nach dem Werktitel erwarten würde.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322