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Philosophie und Naturwissenschaft 1023
zwei Dekrete …
zwei Titel.1 Die Universität Innsbruck ist also, wie zu erwarten, der institutionelle
Hauptproduzent philosophischer Dissertationen. Ăśberraschender ist die zeitliche
Verteilung. Die letzte erhaltene Dissertation, aus dem Franziskanerkloster Inni-
chen, stammt aus dem Jahr 1806 ; die zweitletzte, aus dem Gymnasium in Trient,
aus dem Jahr 1794. Sämtliche von der Universität erhaltenen Titel entstandenen
im ersten Jahrzehnt unserer Epoche, also von 1773 bis 1784 ; danach hört die
Überlieferung, ähnlich wie wir das auch in der Medizin und im Recht beobach-
ten können (vgl. hier S. 1049 und 1055), plötzlich auf. Während der Befund in
den Klöstern und im Gymnasium Trient vielleicht ein allmähliches Erliegen des
– allerdings schon vorher nicht sehr frequenten – Dissertationswesens nahe legen
könnte, weist das schlagartige Ende der bis dahin intensiven Produktion an der
Universität auf ein einschneidendes Ereignis. Was ist passiert ?
FĂĽr das Ende des lat. Dissertationswesen an der Innsbrucker philosophischen
Fakultät spielt nicht die Aufhebung des Jesuitenordens 1773 und nicht die Her-
abstufung der Universität zu einem Lyzeum 1782 eine Rolle. Der Grund scheint
vielmehr jenes bestimmte Dekret Kaiser Josephs II. vom 12. Juli 1784 zu sein, in
dem er anordnete, dass von nun an in den deutschsprachigen Gebieten des Habs-
burgerreiches die akademische Lehre an allen Fakultäten außer der theologischen
auf Deutsch statt wie bisher auf Lat. zu erfolgen habe.2 Gemäß diesem Dekret
waren auf Deutsch auch „die Prüfungen für das Doktorat vorzunehmen, die öf-
fentlichen Disputationen abzuhalten, und die Abhandlungen fĂĽr den Gradus zu
1 Werke ähnlichen Zuschnitts und mit ähnlichen Titeln, die aber nicht im Zusammenhang einer Pro-
motion stehen, wurden, vermutlich in Nachahmung universitärer Usancen, auch den Akademien
vorgelegt. Das AA besitzt etwa eine Reihe solcher Texte, z.B. Franz Seraphin von Zallingers auf
1815 datierte Abhandlung De invenienda locorum altitudine ope barometri („Über die Feststellung
der Höhe von Orten mithilfe des Barometers“ ; AA, sc. 26, 139), die in der Abschrift TLMF, Dip.
1382/3 als dissertatio Accademiae Roboretanae dicata („der Akademie von Rovereto gewidmete Dis-
sertation“) bezeichnet wird. Überhaupt nicht institutionell verankert, sondern einer Privatinitiative
zu verdanken scheint Gaspare Savoys (vgl. hier S. 837) Dissertatio canonico-physico-historica aequi-
tatem iuxta ac necessitatem demonstrans mortuos extra urbes et oppida sepeliendi („Kanonisch-physika-
lisch-historische Dissertation, welche die Billigkeit und Notwendigkeit beweist, Tote auĂźerhalb von
Städten und Ortschaften zu begraben“ ; Trient 1784). Diese Abhandlung schließt aber an die Form
gedruckter Disputationsschriften an, zumal an Savoys eigene, die er – damals noch als Jesuit und
Lehrer am Trientner Gymnasium – in den Jahren 1770 und 1772 vorlegte.
2 Abgedruckt bei Engelbrecht 1982–1988, Bd. 3, 510. Für die Motivation dieser Verfügung aus
dem Bestreben, die Universität zu einer Ausbildungsstätte für Staatsbeamte statt für Gelehrte zu
machen, vgl. die Resolution JosephsÂ
II. zum Vortrag der Studienhofkommission vom 25. November
1782, Studienhofkommission, F. 4, Einrichtung, 110 ex 1783 (abgedruckt bei Wangermann 1978,
25–26). Vgl. allgemein zu dem in Engelbrechts Worten „säkularen Ereignis“ der Abschaffung des
Lat. als universitäre Unterrichtssprache Wangermann 1978, 25–27 ; Engelbrecht 1982–1988, Bd.
3, 198–199.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322