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Philosophie und Naturwissenschaft 1025
universitäre
Kontinuität
bis 1784
abseits der
Universität :
ein leises Ende
Philosophiestudiums, bei dem es um das Sammeln von Einzelzeugnissen und eine
vergleichsweise schlichte Prüfung am Ende ging. Wenn auch weiterhin eine Mög-
lichkeit zum Druck von Dissertationen bestand, so war diese Option durch die
neuen Umstände einfach unattraktiv geworden. Insofern kann man sagen, dass das
Ende der philosophischen Dissertationen zwar nicht direkt von den josephinischen
Reformen bestimmt wurde, aber doch zu ihren Nebenwirkungen gehörte.
Was nun das philosophische Dissertationswesen an der Universität bis zu sei-
nem Ende 1784 angeht, so hat sich gegenüber der Jesuitenzeit nicht viel geändert.
Die Physik hatte sich schon vorher so stark von der ursprĂĽnglich aristotelischen
Naturbetrachtung entfernt, dass sie nach heutigen Begriffen nicht mehr unter die
Philosophie fiel. Philosophie im engeren Sinn wurde nur noch von der Lehrkanzel
fĂĽr Logik und Metaphysik abgedeckt, in der 1774 auch die kurzzeitig als eigenes
Fach unterrichtete Ethik aufging. Unter der Bezeichnung „Logik und Metaphysik“
wurde Philosophie aber nur mehr ein Jahrzehnt unterrichtet – genau jenes Jahr-
zehnt, in dem noch Dissertationen gedruckt wurden. Die entsprechende Lehrkan-
zel war zu dieser Zeit mit zwei aufgeklärten Theologen besetzt, zunächst 1773/74
mit Karl von GĂĽntherode, dann von 1774 bis 1783 mit Giovanni Battista Albertini
(s. hier S.Â
1000 und 1003). Die von ihnen verfassten Dissertationen fĂĽhren philoso-
phiegeschichtlich gesehen bekannte Muster fort, ohne einen besonderen Akzent zu
setzen. Zwei interessantere Beispiele fĂĽr Dissertationen Albertinis sind im Kapitel
zur Theologie dieser Epoche vorgestellt (vgl. hier S. 1003–1004 und 1011). Als
Albertini 1783 zum Direktor des Innsbrucker Generalseminars ernannt wurde und
der aus Prag gerufene Franz Zinner seine Lehrkanzel ĂĽbernahm, wurde sie schon
nicht mehr „Logik und Metaphysik“, sondern schlicht „Philosophie“ genannt – ein
deutliches Zeichen, dass Philosophie innerhalb der philosophischen Fakultät nun
nicht mehr der Inbegriff des darin Gelehrten, sondern nur mehr ein Fach unter an-
deren war. Zinner war es dann auch, der 1784 die letzte erhaltene lat. Thesenschrift
der Innsbrucker philosophischen Fakultät veröffentlichte : Positiones ex philosophia
theoretica et practica („Positionen aus der theoretischen und praktischen Philoso-
phie“ ; Innsbruck 1784). Alle weiteren Innsbrucker Philosophieprofessoren ver-
fassten ihre Werke – soweit sie überhaupt solche verfassten – auf Deutsch. Damit
wurde insbesondere der etwa zeitgleich erfolgte philosophische Paradigmenwechsel
durch Kant – die Kritik der reinen Vernunft erschien 1781 – und den Deutschen
Idealismus von den lat. Dissertationen nicht mehr rezipiert.
Das Ende lat. Dissertationen in Institutionen abseits der Universität kommt
leise, weil dort schon vorher nur sehr wenige Disputationsschriften verfasst wurden
und sich in unserer Epoche mit abnehmender Tendenz nur noch ein paar Zufalls-
treffer finden. Von den insgesamt zehn außeruniversitären Dissertationen, die sich
erhalten haben, stammen sieben aus der Zeit von 1773 bis 1784. Danach sind
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322