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Philosophie und Naturwissenschaft 1035
Auch der zweite Band, De universalibus („Über die Universalien“) ist noch ein Propädeu-
tikum. In drei Sektionen geht es 1. um das Universale und Eine ; Materie und Form ; Zahl
und Figur ; 2. um die geschaffene Substanz und ihre Einteilung ; Grade der Subsistenz ; 3.
um die affizierte Substanz bzw. die unter ihr auftretenden Relationen. Der dritte Band ist
der eigentliche Kern von Lechleitners Werk. Hier geht er aufs Ganze, wie schon der Titel
zeigt : De Deo rerum omnium principio et fine ultimo („Über Gott als Grundlage und End-
zweck aller Dinge“). Fünf Kapitel behandeln 1. den Ursprung der Dinge und ihre notwen-
dige Herkunft aus einem Schöpfungsakt ; 2. den Urheber der Dinge ; 3. die Vollkommen-
heiten bzw. Attribute Gottes ; 4. die Taten bzw. Werke Gottes ; 5) die göttliche Vorsehung.
Der Tenor ist, dass Gott der erste Erkenntnisgrund und die bedingende Denkregel aller
fühlenden und denkenden Geschöpfe ist. Er hat die Welt durch eine freie und unhinter-
fragbare Willensbewegung aus der Anschauung seiner selbst geschaffen. Gott ist das höchs-
tes Gut und das Endziel alles Geschaffenen. Die Teilhabe an diesem Gut erfolgt durch
Übung der Tugenden. Der Mensch ist in seinem Geist und Willen immer vollständig auf
Gott bezogen : Dem Geist ist Gott als Wahrheit, dem Willen als moralisches Gesetz gegen-
wärtig. Der vierte Band vertieft die Bezogenheit des Menschen auf Gott durch eine Un-
tersuchung der menschlichen Seele : De animae humanae natura seu Psychologia („Über die
Natur der menschlichen Seele, oder Psychologie“). Teilweise überschneiden sich die fünf
Sektionen dieses Bandes mit dem schon in der Logica behandelten Stoff : 1. Seelenkräfte
i.A.; niedrige sinnliche Erkenntnis ; Einbildungskraft ; Gedächtnis, Vorstellungsvermögen,
Reflexion, Abstraktion, reine Vernunft usw.; 2. Ursprung der Ideen und Kritik einschlä-
giger Lehren ; Entgegnung auf Lockes Empirismus ; Zusammenhang zwischen Seele und
Körper und Kritik einschlägiger Lehren ; 3. Begehrungsvermögen und Affekte ; 4. höhere
Seelenvermögen und geistige Natur des Menschen ; Wesen der Seele ; Willensfreiheit und
Unsterblichkeit ; 5. der menschlicher Geist als Ebenbild Gottes.
Lechleitners Spätwerk trägt einen Doppeltitel : Philosophia practica – Ius naturae („Prak-
tische Philosophie – Naturrecht“). Den Inhalt dieses Bandes könnte man mit heutigen
Begriffen als Kombination einer Pflichtenlehre und einer Gesellschafts- und Staatstheorie
bezeichnen (insofern ist auch der Doppeltitel als Unterstreichung beider Aspekte sinnvoll).
Der Zusammenhang zwischen den beiden Aspekten ergibt sich dadurch, dass sich die
Pflichten des Einzelnen ebenso wie jene der Gemeinschaft aus Gott als dem obersten Prin-
zip ableiten und in wechselseitiger Abhängigkeit stehen. In seinem Vorwort verweist Lech-
leitner auf die vom Hl. Augustinus (civ. 8,4) vorgenommene Unterteilung der Philosophie
in einen theoretischen, der Erkenntnis der Wahrheit, und einen praktischen, dem richti-
gen Handeln, gewidmeten Teil. Diese Einteilung habe auch dem Plan zu seinem Gesamt-
werk zugrunde gelegen, doch sein Alter verhindere nun, dass zur praktischen Philosophie
mehr als ein Band erscheine. Eine Einleitung stellt in 21 knappen, durchnummerierten
Sätzen den Zusammenhang zwischen Metaphysik und praktischer Philosophie bzw. Na-
turrecht dar und fungiert so als Scharnier zwischen Lechleitners Philosophia theoretica und
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322