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1044 Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848
beiden persönlich bekannt. Oberrauch wirkte während Lechleitners Studienzeit
in Innsbruck, der in Bozen tätige Gruber kann als Freund und Schützling Ober-
rauchs, später als philosophischer Schriftsteller nicht unbekannt geblieben sein. Ein
persönlicher gedanklicher Austausch ist also ebenso anzunehmen wie ein Einfluss
durch die Lektüre der Werke der jeweiligen Vorgänger. Die philosophiehistorische
Zusammenstellung der drei Männer ist also durchaus sinnvoll. Das wird nicht zu-
letzt dadurch bestätigt, dass wir schon neun Jahre vor Görres eine erste, weiter
nach hinten orientierte Konstruktion einer „Tiroler Schule“ finden, die allerdings
ohne Wirkung blieb. Wie bereits im Kapitel zur Philosophie der vorigen Epoche
diskutiert (vgl. hier S.Â
853–854), hat sich 1830 kein geringerer als Alessandro Man-
zoni brieflich bei Antonio Rosmini über „quel platonismo che è sparso in Tirolo“
erkundigt. Rosmini verwies ihn in seinem Antwortbrief auf Oberrauch und Gru-
ber und fĂĽhrte den Ursprung des Tiroler Platonismus versuchsweise auf den in
der zweiten Hälfte des 17. Jhs. wirkenden Kapuziner Iuvenalis Annaniensis zurück
– eine schwer haltbare These, da ein direkter Einfluss hier nicht wahrscheinlich
gemacht werden kann. Rosminis Auskunft blieb aufgrund ihrer privaten Natur in
einem Briefwechsel ohne Konsequenzen für die zeitgenössische Öffentlichkeit,14
zeigt aber, dass die damals schon vor einer Generation verstorbenen Franziskaner
Oberrauch und Gruber zumindest regionale BerĂĽhmtheiten waren. Ein nach wie
vor lebendiges Interesse an ihnen beweisen auch die mit AuszĂĽgen aus ihren Wer-
ken vermischten Biographien, die der bayerische Franziskaner Alois Adalbert Wai-
bel (1787–1852) etwa zur selben Zeit veröffentlichte.15 Lechleitners Werk ist selbst
teilweise als Produkt dieses zeitgenössischen Interesses an Oberrauch und Gruber
deutbar, und so hat es Görres auch verstanden, als er 1839 die zweite, folgenreichere
Konstruktion einer „Tiroler Schule“ vornahm. Iuvenalis war Görres schwerlich be-
kannt, und da er Lechleitner in der Hand hielt, leuchtet es ein, dass er nicht jenen,
sondern diesen mit Oberrauch und Gruber verband. So blieb es dann auch in der
weiteren Literatur. Die Prägung des Begriffes „Tiroler Schule“ wird in der Regel
Karl Werner, dem Verfasser der Geschichte der Katholischen Theologie zugeschrieben,
der Oberrauch, Gruber und Lechleitner unter der Überschrift „Die christlich-theo-
logische Metaphysik der Tiroler Schule“ zusammenfasst (Werner 1866, 334–341 ;
14 Vielleicht ist davon aber die Vorgeschichte des Ontologismus beeinflusst, die Rudolf Malter und
Friedrich Pfurtscheller in HWPh 6, 1203 schreiben. In dieser Vorgeschichte nennen sie nämlich
den „Kapuziner-Ontologismus“ des 17. Jhs. (wofür Iuvenalis ein, vielleicht sogar der Hauptvertre-
ter ist) und die „Tiroler Schule“ des 18. Jhs.
15 Vgl. Waibel 1829 und 1833. Zu dem auch unter den Pseudonymen „Theophilus Nelk“ und „A.M.
Veilch“ publizierenden Waibel vgl. ADB 40, 596–597. Waibel war u.a. über zehn Jahre lang Lektor
der Philosophie im Franziskanerkloster Schwaz. Schon 1820 veröffentlichte er eine gekürzte Bear-
beitung von Grubers Philosophie der ältesten Zeiten.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322