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1054 Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848
tersgruppen und Klassen befiele, Menschen arbeitsunfähig mache und sie dem Staat zur
Last fallen lasse. Schon zwölf Jahre lang zögere er, das Werk überhaupt zu schreiben, da
er unsicher sei, ob in der Gegenwart ein lat. Buch veröffentlicht werden sollte. Sich aus
Nächstenliebe und Pflichtgefühl endlich zur Veröffentlichung entschließend, sehe er sein
primäres Ziel darin, die große, von vielen ignorierte oder verkannte Gefahr, die von der
Selbstbefriedigung ausgehe, für diejenigen offenzulegen, die sie verhindern könnten (I–
IX).
Im ersten Teil der Schrift (1–51) beschreibt Canestrini zunächst anhand einiger erschre-
ckender Beispiele die Auswirkungen des fraglichen Lasters, wozu er auch einige an ihn
gerichtete Briefe von Onanisten zitiert. Daraufhin kommt er auf die zwar auch schlimmen,
jedoch nicht so gravierenden Folgen des exzessiven Beischlafs zu sprechen. Dieser Teil der
Schrift wird mit einem Exkurs ĂĽber die Masturbation bei Frauen beschlossen, die weniger
verbreitet und mit weniger unheilvollen Konsequenzen behaftet sei und daher von Canes-
trini nicht weiter behandelt werden mĂĽsse.
Im zweiten Teil (51–67), in dem es um Heilung und Vorsorge geht, gibt der Autor hilf-
reiche diätetische Vorschriften (viel Bewegung und kalte Bäder ; Kaffee sei schlecht, Scho-
kolade hingegen gut usw.), bleibt aber bei den Medikamenten zurĂĽckhaltend, damit seine
Leser nicht, anstatt einen Arzt aufzusuchen, zu vergeblichen Versuchen der Selbstheilung
griffen. Das Wichtigste sei die Prävention bei der Jugend, um die sich nicht Ärzte, sondern
Erzieher kümmern müssten. Diese sollten an körperlichen Zeichen das Übel erkennen
(Blässe, Faulheit, trübe Augen, keine Lust zum Lernen, Appetitmangel und Kälteempfind-
lichkeit), aber auch Kleider und Bettwäsche kontrollieren, ja ihren Zöglingen sogar auf der
Toilette nachspionieren. Besonders Priester, bei denen man moralische Festigkeit anneh-
men könne, sollten sich engagieren, da viele junge Leute von hohem Stand heutzutage in
einem Alter, in dem sie noch nicht religiös gefestigt seien, gefährliche Literatur läsen und
dem Relativismus und Libertinismus verfielen.
In den abschließenden Bemerkungen (67–76) bringt Canestrini als Heilmittelvorschlag
eine Rezeptparodie (67) :
R. Rad. Hellebor. Nigr. unc. ii
pulv. mementomori Dr.
Cardinal. de Polignac
extract. Theologiae revelat. aa unc. I
tinctur. prudentiae quantum satis
ut fiant pil. gr. III.
Nimm zwei Unzen Schneerosenwurzel [als Mittel gegen Wahnsinn geschätzt], das Pul-
ver des Sterblichkeitsbewusstseins des Doktors Kardinal de Polignac [der in seinem lat.
Lehrgedicht Anti-Lucretius von 1745 den Epikureismus bekämpfte], eine Unze des Of-
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322