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1060 Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848
Francesco Vigilio
Barbacovi
Prozessschriften wiedergegeben. Wenn er die Vorzüge deines Geistes hätte malen können, wäre kein Bild
auf der ganzen Welt schöner gewesen.“ Er gesteht, folgende Antithese geschrieben zu ha-
ben : „Wenn der Maler den Schmutz deines Geistes hätte malen können, wäre kein Bild
auf der Welt hässlicher gewesen.“ Biener sagt, er habe das betreffende Bild niemals gese-
hen, sondern davon nur von den Herren Malaspina, Gravenegg und unzähligen anderen
gehört, doch er habe dieses Gedicht ohne jeden Gedanken an die Person der durchlauch-
tigsten Claudia geschrieben, sondern nur an das Abkupfern des Dichters [nämlich von
Mart. 10,32,5–6]. Hätte er jenes gewollt, hätte er auch den Namen der Durchlauchtigsten
hinzusetzen mĂĽssen, so dass sein Distichon dem ganzen Epigramm zum Bild entsprochen
hätte. Er habe aber nur allgemein auf das letzte Distichon des Dichters geantwortet, teils
um sein Abkupfern bloĂźzustellen, teils um ihm zu zeigen, mit welcher Leichtigkeit seine
übertriebene Schmeichelei durch wahre Dichtkunst ins Gegenteil verkehrt werden könne ;
und deshalb habe er als Überschrift „Antithese“ und nicht „Antihypothese“ gewählt.2
Der dominierende Jurist dieser Epoche in Trient war Francesco Vigilio Barbacovi
(1738–1821 ; Simone 1992). Barbacovi stammte aus einer alteingesessenen Cleser
Juristenfamilie und begann nach dem Abschluss seiner Schullaufbahn selbst eine
juristische Karriere. Nach einigen Jahren als Anwalt in Trient ĂĽbernahm er 1767
von Carlantonio Pilati (vgl. hier S. 893) den dortigen Lehrstuhl für Zivilrecht, wo
er die Studenten wie sein Vorgänger in aufklärerischem Geist unterrichtete. 1772
nahm er eine Stelle beim Rat des Kirchentribunals an. Im Auftrag des FĂĽrstbischofs
Pietro Vigilio Thun erarbeitete er für das Bistum eine neue zweibändige Gerichts-
ordnung (Progetto d’un nuovo codice giudiciario nelle cause civili ; Trient 1785). 1792
ernannte ihn Thun zum Kanzler, setzte ihn jedoch schon 1796 aufgrund diverser
Differenzen wieder ab. Er musste fĂĽr zehn Jahre nach Wien gehen und konnte auch
nach seiner Heimkehr nicht wieder an seine frĂĽhere Karriere anknĂĽpfen.
Barbacovi war ein produktiver Literat, der neben Schriften zu seinem eigentli-
chen Tätigkeitsfeld auch kleinere Geschichtswerke in italienischer Sprache sowie
Inschriften verfasste. Seine knapp 20 lat. juristischen Werke zerfallen in zwei Klas-
sen : Prozessschriften und Monographien zum Strafrecht. Bei den Erstgenannten
handelt es sich um dicht und technisch argumentierende, dabei aber stets um rhe-
torische Effizienz bemühte Schriften zu in der Regel bedeutenden Fällen. Beispiels-
halber seien etwa das Konsil De iure succedendi in feudo castri et comitatus Numii
(„Über das Recht der Nachfolge in das Lehen der Burg und Grafschaft Nomi“ ; o.O.
o.J.) und die Allegation Pro celsissimo Tridentino principe diatriba in causa, quae
contra illum agitur coram supremo imperii consilio aulico nomine ordinis municipalis
2 Die betreffenden AusdrĂĽcke sind der Terminologie der Rhetorik entnommen : Eine thesis ist dort
eine allgemein gehaltene Rede, bei einer hypothesis geht es um einen konkreten Fall.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322