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Rechtswissenschaft 1067
Charakteristik
außer universitäre
Kanonistik :
Vogelsanger,
Iurisdictio
jedoch ein Desiderat. Zum Naturrecht fasst er sich kurz : Die Zustimmung der Eltern zu
einer Ehe sei nur bis zur Volljährigkeit zwingend erforderlich, danach sei ihr Fehlen zwar
bedauerlich, aber kein Hinderungsgrund (Kap. 1). Was das hebräische Recht betrifft, wird
die starke Stellung des Familienvaters betont und durch zahlreiche Beispiele aus der Bibel
belegt (Kap. 2). Eingeschränkt wurde die Machtfülle des paterfamilias dagegen mit der
Zeit im römischen Recht (Kap. 3). Anders verhielt es sich im germanischen, wo der Vater,
wenn er einer Ehe nicht zugestimmt hatte, sogar seine verheiratete Tochter wieder zurĂĽck-
holen konnte. Allerdings teilte er seine Machtstellung mit der Mutter (Kap. 4). Auch im
älteren Kirchenrecht war eine Ehe ohne Zustimmung der Eltern nichtig – der Grundsatz
Matrimonia sunt libera („Ehen sind frei“) hatte sich noch nicht durchgesetzt. Ein Exkurs
behandelt die Heirat zwischen Räuber und Geraubter, die kontrovers diskutiert wurde ;
fĂĽr Pehem ist auch sie nichtig (Kap. 5). Das neuere Kirchenrecht neigte, laut Pehem des-
halb, weil die Kirchenväter nicht mehr richtig verstanden wurden, dazu, Ehen auch ohne
Zustimmung der Eltern zuzulassen, wie päpstliche Reskripte zeigen. Auf dem Konzil von
Trient konnte ein Mittelweg gefunden werden (Kap. 6). Zum Schluss behandelt Pehem die
Macht der Kaiser in Ehefragen und rechtfertigt sie mithilfe der Kirchenväter, päpstlicher
Bullen und des CIC. Die diesbezügliche Macht der Kirche hält er für ein Relikt aus den
Zeiten des Verfalls des Römischen Reichs (Kap. 7).
Insgesamt spricht Pehem sich fĂĽr eine starke Stellung der Eltern aus und tritt fĂĽr
eine Politik der Einmischung seitens der weltlichen Autoritäten ein. Seine Argu-
mentation verrät eine beachtliche Kenntnis der einschlägigen Rechtsquellen sowie
der historischen HintergrĂĽnde. Im Ăśbrigen kann er sich auf gleichgesinnte Au-
toren wie Stephan Rautenstrauch (1734–1785) und Paul Josef Riegger (vgl. hier
S. 752–753) stützen, die er beide häufig zitiert.
Zu den relativ wenigen Kanonisten, die außerhalb der Universität noch auf Lat.
publizierten, gehört Ambrosius Vogelsanger OSM (1750–1826). Der Innsbrucker
trat 1770 in den Servitenorden ein, in dessen Innsbrucker Kloster er später Kir-
chenrecht, Dogmatik und Pastoraltheologie lehrte (an der Universität supplierte
er nur gelegentlich Kirchenrecht). Im Jahr 1818 wurde er zum Ordensprovinzial
gewählt (Oberkofler 1974, 81). Sein einziges erhaltenes lat. Werk ist die Iurisdictio
episcoporum proxime a deo deducta („Direkt von Gott abgeleitete Hoheitsgewalt der
Bischöfe“ ; Innsbruck 1779), eine in 67 Paragraphen gegliederte Monographie über
die weltliche Macht der Bischöfe.
Nach einer Definition der iurisdictio episcoporum (§§ 1–3) befasst sich Vogelsanger zu-
nächst allgemein mit der von der weltlichen Hierarchie getrennten civitas Dei („Gottes-
staat“ ; §§ 4–11). Anschließend erklärt er, die Macht Christi sei auf die Apostel – und
damit auf die Bischöfe – nicht nach deren eigenem Ermessen, sondern durch den Heiligen
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322