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Dichtung 1081
Luisa Anzoletti
In Sanctum
Vigilium
gegangene weltliche Macht der Fürstbischöfe von Trient angesprochen (vgl. arx im
Sinn von „Herrschersitz“ z.B. bei Nep. Tim. 3,3), und der im Mittelalter bedeu-
tende Bergbau um Trient (vgl. z.B. Hägermann/Ludwig 1986, 13–14 ; Pfiffer 1990)
war auch schon längst Vergangenheit. Die Vermenschlichung und Verschwisterung
von Trient und Etsch (gemäß dem lat. Genus von Athesis ist sie im Gedicht ein
„Bruder“) wirken im Zusammenspiel mit dem der Klage angemessenen elegischen
Distichon rĂĽhrend. Zu beachten ist, dass diese Elegie, wie auch die ĂĽbrigen Gele-
genheitsgedichte Moars, nicht nur eine Privatsache des Autors war, sondern durch
Ein- und Zweiblattdrucke zumindest in Trient weitere Verbreitung fand. Das Stadt-
bürgertum bildete damals noch ein Publikum für zeitgenössische lat. Dichtung.
Ein ähnliches Publikum ist auch für Luisa Anzolettis (1863–1925) hexametri-
sches Kleinepos ĂĽber den Patron Trients, den Hl. Vigilius, anzunehmen. Anzoletti
(vgl. Ambrosi 1894, 304–306 ; Bandini Buti 1941, 41–42), wohl die einzige Dich-
terin, die einen Beitrag zur lat. Literatur auf dem Gebiet des historischen Tirol
geleistet hat, stammte aus einer Trientner Musikerfamilie und interessierte sich von
Kind an fĂĽr verschiedene KĂĽnste, v.a. die Literatur. In ihrer Jugend begann sie, sich
selbst der schönen und der kritischen Schriftstellerei zu widmen. 1889 zog sie mit
ihrer Familie nach Mailand, wo sie neben ihrer literarischen Tätigkeit auch ehren-
amtlich als Helferin in Kranken- und Waisenhäusern arbeitete. Sie schrieb neben
italienischer und – v.a. zu Beginn ihrer Laufbahn – lat. Dichtung kritisch über
Geschichte, Frauenbewegung, Kunst, Religion und Philosophie. DarĂĽber hinaus
arbeitete sie an zahlreichen literarischen Zeitschriften mit. Zu ihrer Zeit war sie
eine der geachtetsten Schriftstellerinnen Italiens. Sie war u.a. Ehrenmitglied der
Accademia dell’Arcadia in Rom. Zu ihren literarischen Freunden gehörten Größen
der italienischen Literatur wie z.B. Giovanni Verga.
Das Werk, um das es hier geht, stammt aus Anzolettis Trientner Zeit, in die auch
die Hauptphase ihrer lat. Dichtung fällt. Anzoletti lernte Lat. im Privatunterricht
bei ihrem gelehrten Onkel Emanuele Bazzanella. Ihre Lieblingsautoren sollen Ver-
gil und Horaz gewesen sein, und zumindest auf ihre Vergilkenntnis werden wir
noch zurĂĽckkommen. Mit 21 Jahren schrieb sie eine lat. Elegie (In mortem Re-
verendissimi Ioannis Baptistae Zanellae ; Trient 1884, zitiert nach Ambrosi 1894,
304) auf den Ende 1883 verstorbenen Erzpriester von S.Â
Maria Maggiore in Trient,
Giovanni Battista Zanella – der übrigens eine eindrucksvolle Gestalt gewesen sein
muss, denn auch der unten besprochene Cristoforo Cattani hat ihm zwei Gedichte
gewidmet. Im folgenden Jahr veröffentlichte Anzoletti ebenfalls in Trient mit dem
hier vorzustellenden Kleinepos auf den Hl. Vigilius in 561 Hexametern ihr lat.
Hauptwerk, eine außerordentliche Leistung einer hochbegabten 22-Jährigen. Der
Anlass war das 1500-jährige Jubiläum der auf das Jahr 385 festgesetzten Wahl von
Vigilius zum Bischof von Trient. Darauf bezieht sich auch der Titel : Per il XV cen-
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322