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Dichtung 1083
Christen nehmen daran nicht teil, worauf Stimmen aus der Hölle die Heiden vor dem
Zorn der Ceres warnen. Sie drängen die Christen zum Opfer, doch diese weigern sich
weiter. Die Heiden misshandeln Sisinnius, der sich schĂĽtzend vor seine Gemeinde stellt,
und knüppeln ihn und seine zwei jugendlichen Begleiter zu Tode (V. 119–198). Keine
Mutter und keine Schwester steht den Märtyrern bei, nur eine Verräterin ist zugegen
(V. 199–209). Ein Sturm zeugt von Gottes Zorn und flößt den Heiden Furcht ein. Auf-
tritt von Vigilius im Nonstal, der sich auf die Suche nach den Märtyrern gemacht hat.
Er beklagt ihren Tod, preist ihren Triumph im Jenseits und prophezeit ihre Hilfe fĂĽr die
lombardische Liga in der Schlacht von Legnano 1176 gegen Kaiser Friedrich Barbarossa
(V. 210–251).2 Die Volksmenge zeigt sich von Vigilius’ Rede beeindruckt. Vigilius birgt
die Gebeine der Märtyrer und begründet ihre Verehrung. Er kehrt nach Trient zurück, wo
er weiterhin segensreich wirkt (V. 252–265). Schließlich nimmt Vigilius Abschied von
Trient, um „heimzugehen“ und selbst das Martyrium zu erleiden. In einer Ansprache an
die trauernde Stadt ruft er zu Gottvertrauen in den bevorstehenden schwierigen Zeiten
auf. Die deutsche Reformation wird groĂźes UnglĂĽck bringen, aber das Konzil von Trient
ein segensreicher Neubeginn sein (V.Â
266–293). Als Vigilius Trient verlässt und durch die
Wildnis zieht, veranlasst ihn seine Frömmigkeit, vorher noch ein letztes Mal seine Mutter
Maxentia zu besuchen. Diese lebt als Einsiedlerin in einem später nach ihr benannten Ort
(Santa Massenza) am Tobliner See (im Text lacus Maianus), unweit von Trient : ein locus
amoenus. Maxentia kommt ihm entgegen und freut sich ĂĽber das Wiedersehen. Sie ahnt
offenbar schon Vigilius’ Entschluss, da sie auf seinen Eingang ins Himmelreich anspielt.
Vigilius tröstet sie und verweist auf die Freuden, die ihm bald zuteilwerden. Maxentia
ist betrübt, doch zeigt sie Verständnis : Gottes Wille soll geschehen (V. 294–373). Nun
erscheinen plötzlich auch die zwei jüngeren Brüder des Vigilius, die mit ihm gezogen sind
und ebenfalls das Martyrium erleiden möchten. Maxentia prophezeit ihnen, dass ihre Zeit
noch nicht gekommen ist : Sie werden Vigilius dadurch helfen, dass sie seinen Leichnam
bergen und zurückbringen (V. 374–398). Was vermag die himmlische Liebe – und wie
nichtig ist die irdische (V.Â
399–411) ! Vigilius steht auf einem Joch, von dem er in das von
2 Die historische Erklärung dazu wird in einer Anmerkung gegeben. Sie folgt dem Mailänder Chro-
nisten Galvano Fiamma (1283–1344) : Das Kriegsglück neigte sich schon Barbarossa zu, als 900
junge Mailänder heldenhaft schworen, eher zu sterben als das Kriegsheiligtum (den „Carroccio“)
der lombardischen Liga preiszugeben. Zum selben Zeitpunkt wurde gesehen, wie vom Grab der
Nonstaler Märtyrer drei Tauben aufstiegen und sich auf dem Carroccio niederließen (wie die Be-
obachter dieses Mirakels die Tauben auf den knapp 200 km Luftlinie zwischen dem Nonstal und
Legnano verfolgen konnten, bleibt unklar). Vielleicht enthält diese Passage auch einen nationalisti-
schen Unterton. Die Schlacht von Legnano galt im Risorgimento nämlich als Symbol italienischen
Widerstands. Die 1847 als Kampflied der italienischen Freiheitsbewegung entstandene heutige Na-
tionalhymne Italiens, Fratelli d’Italia, bezieht sich in der vierten Strophe auf diese Schlacht („Do-
vunque è Legnano“).
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322