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Prosa 1111
Philosophie und
Religion
Sittlichkeit
Kirche
Neuthomismus :
Stock,
Compendium
In seinem Kampf gegen den Atheismus nimmt sich Knoll im allgemeinen Teil
zunächst des beliebten Themas der Gottesbeweise an. Über die Möglichkeiten der
Vernunft, insbesondere über schlussfolgerndes Vorgehen, äußert er sich zurück-
haltend. Zumal wenn Philosophie oberflächlich betrieben werde, könne sie zum
Atheismus fĂĽhren. Seine besondere Kritik gilt Kant mit dessen Vorstellung von der
autonomen praktischen Vernunft, die Gott nicht beweisen, sondern nur an ihn
glauben könne (32). Außerdem weist er dessen Auffassung zurück, die Religion sei
nur ein Mittel zur Beförderung der Moral (46).
Ungeachtet dieser Kritik – und der Ablehnung der Standpunkte der sogenann-
ten Eudaimonisten (Religion zur ErfĂĽllung eines GlĂĽcksbedĂĽrfnisses) sowie Ma-
chiavellis (Religion im Dienst der Stabilität im zivilen Leben, 46) – weiß jedoch
auch Knoll um die Zusammenhänge zwischen Religion und Gesellschaft : Qui ergo
religionem spernit et multo magis, qui illam persequitur, non solum in se ipsum, sed in
universum genus humanum crudelis est. (51 ; „Wer also die Religion verachtet und
noch mehr, wer sie verfolgt, ist nicht nur gegen sich selbst, sondern gegen das ganze
Menschengeschlecht grausam.“) Denn die Religion sei dazu angetan, regnum divi-
num morale (51 ; „ein göttliches Reich der Sittlichkeit“) zu begründen, auf dessen
Bedeutung mit groĂźem wissenschaftlichem Aufwand v.a. der Brixner Bischof Bern-
hard Galura (reg. 1829–1856) hingewiesen habe (52). So stellt letztlich auch der
Kapuzinertheologe die Dogmatik in den Dienst von Moral und Pastoral.
Zum gleichsam eisernen Bestand aller Dogmatiken des 19. Jhs. gehören ausführ-
liche Abschnitte ĂĽber die Kirche. FĂĽr Knoll hat sie einen mindestens ebenso hohen
Stellenwert wie für Roman Ploder (vgl. hier S. 1007). Seine Ausführungen gipfeln
in der Hervorhebung des exklusiven Heilsanspruchs der katholischen Kirche, den
er aus der Offenbarung und aus dem Wesen Gottes herleitet (353–504). Auch in
diesem Zusammenhang nimmt er die Erörterung des Verhältnisses zwischen Ver-
nunft und Glauben wieder auf, wobei er fĂĽr einen maĂźvollen Einsatz der Ratio
plädiert (511).
Eine Generation nach Knoll versuchte Papst Leo XIII. (reg. 1878–1903), die
Einheit des kirchlichen Denkens und des Glaubens wiederherzustellen, indem er
auf die Lehre des Hl. Thomas von Aquin zurĂĽckgriff : Mit dem Rundschreiben Ae-
terni Patris von 1879, in welchem er diese als Richtschnur in philosophischen und
theologischen Fragen empfahl, leitete er eine regelrechte Thomas-Renaissance ein
(Gelmi 1989, 275 ; Berger 2005, 127–130). Vor diesem Hintergrund ist es zu ver-
stehen, dass Knolls Ordensbruder Norbert Stock ihm im Vorwort seines 1890–1891
in Brixen gedruckten zweibändigen Compendium theologiae fundamentalis („Zusam-
menfassende Darstellung der Fundamentaltheologie“) zu geringe Vertrautheit mit
dem Denken des Aquinaten attestierte, weshalb sein Werk veraltet sei. AuĂźerdem
seien die Ergebnisse des Vatikanischen Konzils zu berĂĽcksichtigen. Der Ordensge-
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322