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Salutierübungen!« kommandierte der Hauptmann. Nach zehn Minuten
änderte er den Befehl. »Kniet nieder zum Gebet!« Beruhigt lauschte er dem
dumpfen Aufprall der harten Knie auf Erde, Schotter und Sand. Noch war er
Hauptmann, Herr seiner Kompanie. Diesen Schreibern wird er’s schon
zeigen.
Er ging heute nicht ins Kasino, er aß nicht einmal, er legte sich schlafen. Er
schlief traumlos und schwer. Den nächsten Morgen beim Offiziersrapport
brachte er knapp und klingend seine Beschwerde vor den Obersten. Sie wurde
weitergeleitet. Und nun begann das Martyrium des Hauptmanns Joseph
Trotta, Ritter von Sipolje, des Ritters der Wahrheit. Es dauerte Wochen, bis
vom Kriegsministerium die Antwort kam, daß die Beschwerde an das Kultur-
und Unterrichtsministerium weitergegeben sei. Und abermals vergingen
Wochen, bis eines Tages die Antwort des Ministers einlief. Sie lautete:
»Euer Hochwohlgeboren,
sehr geehrter Herr Hauptmann!
In Erwiderung auf Euer Hochwohlgeboren Beschwerde, betreffend
Lesebuchstück Nummer fünfzehn der autorisierten Lesebücher für
österreichische Volks- und Bürgerschulen nach dem Gesetz vom 21. Juli
1864, verfaßt und herausgegeben von den Professoren Weidner und Srdcny,
erlaubt sich der Herr Unterrichtsminister respektabelst, Euer
Hochwohlgeboren Aufmerksamkeit auf den Umstand zu lenken, daß die
Lesebuchstücke von historischer Bedeutung, insbesondere diejenigen, die
Seine Majestät, den Kaiser Franz Joseph höchstpersönlich, sowie auch andere
Mitglieder des Allerhöchsten Herrscherhauses betreffen, laut Erlaß vom 21.
März 1840, dem Fassungsvermögen der Schüler angepaßt und bestmöglichen
pädagogischen Zwecken entsprechend gehalten sein sollen. Besagtes, in Euer
Hochwohlgeboren Beschwerde erwähntes Lesestück Nummer fünfzehn hat
Seiner Exzellenz dem Herrn Kultusminister persönlich vorgelegen und ist
dasselbe von ihm zum Schulgebrauch autorisiert worden. In den Intentionen
der hohen sowie auch nicht minder der niederen Schulbehörden ist es
gelegen, den Schülern der Monarchie die heroischen Taten der
Armeeangehörigen dem kindlichen Charakter, der Phantasie und den
patriotischen Gefühlen der heranwachsenden Generationen entsprechend
darzustellen, ohne die Wahrhaftigkeit der geschilderten Ereignisse zu
verändern, aber auch, ohne sie in dem trockenen, jeder Aneiferung der
Phantasie wie der patriotischen Gefühle entbehrenden Tone wiederzugeben.
Zufolge dieser und ähnlicher Erwägungen ersucht der Unterzeichnete Euer
Hochwohlgeboren respektvollst, von Euer Hochwohlgeboren Beschwerde
Abstand nehmen zu wollen.«
Dieses Schriftstück war vom Kultus- und Unterrichtsminister gezeichnet.
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Buch Radetzkymarsch"
Radetzkymarsch
- Titel
- Radetzkymarsch
- Autor
- Joseph Roth
- Datum
- 1932
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 294
- Schlagwörter
- Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
- Kategorien
- Weiteres Belletristik