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Der Oberst übergab es dem Hauptmann Trotta mit den väterlichen Worten:
»Laß die Geschichte!«
Trotta nahm es entgegen und schwieg. Eine Woche später ersuchte er auf
dem vorgeschriebenen Dienstwege um eine Audienz bei Seiner Majestät, und
drei Wochen später stand er am Vormittag in der Burg, Aug’ in Aug’
gegenüber seinem Allerhöchsten Kriegsherrn.
»Sehn Sie zu, lieber Trotta!« sagte der Kaiser. »Die Sache ist recht
unangenehm. Aber schlecht kommen wir beide dabei nicht weg! Lassen S’ die
Geschieht’!«
»Majestät«, erwiderte der Hauptmann, »es ist eine Lüge!«
»Es wird viel gelogen«, bestätigte der Kaiser.
»Ich kann nicht, Majestät«, würgte der Hauptmann hervor.
Der Kaiser trat nahe an den Hauptmann. Der Monarch war kaum größer als
Trotta. Sie sahen sich in die Augen.
»Meine Minister«, begann Franz Joseph, »müssen selber wissen, was sie
tun. Ich muß mich auf sie verlassen. Verstehen Sie, lieber Hauptmann
Trotta?« Und, nach einer Weile: »Wir wollen’s besser machen. Sie sollen es
sehen!«
Die Audienz war zu Ende.
Der Vater lebte noch. Aber Trotta fuhr nicht nach Laxenburg. Er kehrte in
die Garnison zurück und bat um seine Entlassung aus der Armee.
Er wurde als Major entlassen. Er übersiedelte nach Böhmen, auf das kleine
Gut seines Schwiegervaters. Die kaiserliche Gnade verließ ihn nicht. Ein paar
Wochen später erhielt er die Mitteilung, daß der Kaiser geruht habe, dem
Sohn seines Lebensretters für Studienzwecke aus der Privatschatulle
fünftausend Gulden anzuweisen. Gleichzeitig erfolgte die Erhebung Trottas in
den Freiherrnstand.
Joseph Trotta, Freiherr von Sipolje, nahm die kaiserlichen Gaben mißmutig
entgegen, wie Beleidigungen. Der Feldzug gegen die Preußen wurde ohne ihn
geführt und verloren. Er grollte. Schon wurden seine Schläfen silbrig, sein
Auge matt, sein Schritt langsam, seine Hand schwer, sein Mund
schweigsamer als zuvor. Obwohl er ein Mann in den besten Jahren war, sah er
aus, als würde er schnell alt. Vertrieben war er aus dem Paradies der einfachen
Gläubigkeit an Kaiser und Tugend, Wahrheit und Recht, und gefesselt in
Dulden und Schweigen, mochte er wohl erkennen, daß die Schlauheit den
Bestand der Welt sicherte, die Kraft der Gesetze und den Glanz der
Majestäten. Dank dem gelegentlich geäußerten Wunsch des Kaisers
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Buch Radetzkymarsch"
Radetzkymarsch
- Titel
- Radetzkymarsch
- Autor
- Joseph Roth
- Datum
- 1932
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 294
- Schlagwörter
- Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
- Kategorien
- Weiteres Belletristik