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Radetzkymarsch
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verschwand das Lesebuchstück Nummer fünfzehn aus den Schulbüchern der Monarchie. Der Name Trotta verblieb lediglich in den anonymen Annalen des Regiments. Der Major lebte dahin als der unbekannte Träger früh verschollenen Ruhms, gleich einem flüchtigen Schatten, den ein heimlich geborgener Gegenstand in die helle Welt des Lebendigen schickt. Auf dem Gut seines Schwiegervaters hantierte er mit Gießkanne und Gartenschere, und ähnlich wie sein Vater im Schloßpark von Laxenburg beschnitt der Baron die Hecken und mähte den Rasen, bewachte er im Frühling den Goldregen und später den Holunder vor räuberischen und unbefugten Händen, ersetzte er mürbe gewordene Zaunlatten durch frische und blankgehobelte, richtete er Gerät und Geschirr, zäumte und sattelte eigenhändig die Braunen, erneuerte rostige Schlösser an Pforte und Tor, legte bedächtig sauber geschnitzte, hölzerne Stützen zwischen müde Angeln, die sich senkten, blieb tagelang im Wald, schoß Kleintier, nächtigte beim Förster, kümmerte sich um Hühner, Dung und Ernte, Obst und Spalierblumen, Knecht und Kutscher. Knauserig und mißtrauisch erledigte er Einkäufe, zog mit spitzen Fingern Münzen aus dem filzigen Ledersäckchen und barg es wieder an der Brust. Er wurde ein kleiner slowenischer Bauer. Manchmal kam noch sein alter Zorn über ihn und schüttelte ihn wie ein starker Sturm einen schwachen Strauch. Dann schlug er den Knecht und die Flanken der Pferde, schmetterte die Türen ins Schloß, das er selbst gerichtet hatte, bedrohte die Taglöhner mit Mord und Vernichtung, schob am Mittagstisch den Teller mit bösem Schwung von sich, fastete und knurrte. Neben ihm lebten, schwach und kränklich, die Frau in getrennten Zimmern, der Junge, der den Vater nur bei Tische sah und dessen Zeugnisse ihm zweimal jährlich vorgelegt wurden, ohne daß sie ihm Lob oder Tadel entlockt hätten, der Schwiegervater, der heiter seine Pension verzehrte, die Mädchen liebte, wochenlang in der Stadt blieb und seinen Schwiegersohn fürchtete. Er war ein kleiner, alter slowenischer Bauer, der Baron Trotta. Immer noch schrieb er zweimal im Monat, am späten Abend bei flackernder Kerze, dem Vater einen Brief auf gelblichen Oktavbogen, vier Mannesfinger Abstand von oben, zwei Mannesfinger Abstand vom seitlichen Rand die Anrede »Lieber Vater!« Sehr selten erhielt er eine Antwort. Wohl dachte der Baron manchmal daran, seinen Vater zu besuchen. Längst hatte er Heimweh nach dem Wachtmeister der kärglichen, ärarischen Armut, dem faserigen Knaster und dem selbstgebrannten Rakija. Aber der Sohn scheute die Kosten, nicht anders als es sein Vater, sein Großvater, sein Urgroßvater getan hätten. Jetzt war er dem Invaliden im Laxenburger Schloß wieder näher als vor Jahren, da er im frischen Glanz seines neuen Adels in der blaugetünchten Küche der kleinen Dienstwohnung gesessen und Rakija getrunken hatte. Mit der Frau sprach er nie von seiner Abkunft. Er fühlte, daß die Tochter des älteren Staatsbeamtengeschlechts ein verlegener Hochmut 14
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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