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Radetzkymarsch
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von einem slowenischen Wachtmeister trennen würde. Also lud er den Vater nicht ein. Einmal, es war ein heller Tag im März, der Baron stampfte über die harten Schollen zum Gutsverwalter, brachte ihm ein Knecht einen Brief von der Schloßverwaltung Laxenburg. Der Invalide war tot, schmerzlos entschlafen im Alter von einundachtzig Jahren. Der Baron Trotta sagte nur: »Geh zur Frau Baronin, mein Koffer soll gepackt werden, ich fahr’ abends nach Wien!« Er ging weiter, ins Haus des Verwalters, erkundigte sich nach der Saat, sprach vom Wetter, gab Auftrag, drei neue Pflüge zu bestellen, den Tierarzt am Montag kommen zu lassen und die Hebamme heute noch zur schwangeren Magd, sagte beim Abschied: »Mein Vater ist gestorben. Ich werde drei Tage in Wien sein!«, salutierte mit einem nachlässigen Finger und ging. Sein Koffer war gepackt, man spannte die Pferde vor den Wagen, es war eine Stunde Fahrt bis zur Station. Er aß hastig die Suppe und das Fleisch. Dann sagte er zur Frau: »Ich kann nicht weiter! Mein Vater war ein guter Mann. Du hast ihn nie gesehen!« War es ein Nachruf? War’s eine Klage? »Du kommst mit!« sagte er zu seinem erschrockenen Sohn. Die Frau erhob sich, um auch die Sachen des Knaben zu packen. Während sie einen Stock höher beschäftigt war, sagte Trotta zum Kleinen: »Jetzt wirst du deinen Großvater sehen.« Der Knabe zitterte und senkte die Augen. Der Wachtmeister war aufgebahrt, als sie ankamen. Er lag mit mächtigem, gesträubtem Schnurrbart, von acht meterlangen Kerzen und zwei invaliden Kameraden bewacht, in dunkelblauer Uniform, mit drei blinkenden Medaillen an der Brust, auf dem Katafalk in seinem Wohnzimmer. Eine Ursulinerin betete in der Ecke neben dem einzigen, verhangenen Fenster. Die Invaliden standen stramm, als Trotta eintrat. Er trug die Majorsuniform mit dem Maria- Theresien-Orden, kniete nieder, sein Sohn fiel zu Füßen des Toten ebenfalls auf die Knie, vor dem jungen Angesicht die mächtigen Stiefelsohlen der Leiche. Der Baron Trotta fühlte zum erstenmal im Leben einen schmalen, scharfen Stich in der Gegend des Herzens. Seine kleinen Augen blieben trocken. Er murmelte ein, zwei, drei Vaterunser, aus frommer Verlegenheit, erhob sich, beugte sich über den Toten, küßte den mächtigen Schnurrbart, winkte den Invaliden und sagte zu seinem Sohn: »Komm!« »Hast du ihn gesehen?« fragte er draußen. »Ja«, sagte der Knabe. »Er war nur ein Gendarmeriewachtmeister«, sagte der Vater, »ich habe dem Kaiser in der Schlacht von Solferino das Leben gerettet – und dann haben wir die Baronie bekommen.« Der Junge sagte nichts. 15
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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