Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Weiteres
Belletristik
Radetzkymarsch
Seite - 16 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 16 - in Radetzkymarsch

Bild der Seite - 16 -

Bild der Seite - 16 - in Radetzkymarsch

Text der Seite - 16 -

Man begrub den Invaliden auf dem kleinen Friedhof in Laxenburg, Militärabteilung. Sechs dunkelblaue Kameraden trugen den Sarg von der Kapelle zum Grabe. Der Major Trotta, in Tschako und Paradeuniform, hielt die ganze Zeit eine Hand auf der Schulter seines Sohnes. Der Knabe schluchzte. Die traurige Musik der Militärkapelle, der wehmütige und eintönige Singsang der Geistlichen, der immer wieder hörbar wurde, wenn die Musik eine Pause machte, der sanft verschwebende Weihrauch bereiteten dem Jungen einen unbegreiflichen, würgenden Schmerz. Und die Gewehrschüsse, die ein Halbzug über dem Grab abfeuerte, erschütterten ihn mit ihrer lang nachhallenden Unerbittlichkeit. Man schoß soldatische Grüße der Seele des Toten nach, die geradewegs in den Himmel zog, für immer und ewig dieser Erde entschwunden. Vater und Sohn fuhren zurück. Unterwegs, die ganze Zeit, schwieg der Baron. Nur als sie die Eisenbahn verließen und hinter dem Garten der Station den Wagen, der sie erwartete, bestiegen, sagte der Major: »Vergiß ihn nicht, den Großvater!« Und der Baron ging wieder seinem gewohnten Tagewerk nach. Und die Jahre rollten dahin wie gleichmäßige, friedliche, stumme Räder. Der Wachtmeister war nicht die letzte Leiche, die der Baron zu bestatten hatte. Er begrub zuerst seinen Schwiegervater, ein paar Jahre später seine Frau, die schnell, bescheiden und ohne Abschied nach einer heftigen Lungenentzündung gestorben war. Er gab seinen Jungen in ein Pensionat nach Wien und verfügte, daß der Sohn niemals aktiver Soldat werden dürfte. Er blieb allein auf dem Gut, im weißen, geräumigen Haus, durch das noch der Atem der Verstorbenen ging, sprach nur mit dem Förster, dem Verwalter, dem Knecht und dem Kutscher. Immer seltener brach die Wut aus ihm. Das Gesinde aber spürte ständig seine bäurische Faust, und sein zorngeladenes Schweigen lag wie ein hartes Joch über den Nacken der Leute. Vor ihm wehte furchtsame Stille einher wie vor einem Gewitter. Zweimal im Monat empfing er gehorsame Briefe seines Kindes. Einmal im Monat antwortete er in zwei kurzen Sätzen, auf kleinen, sparsamen Zetteln, den Respektsrändern, die er von den erhaltenen Briefen abgetrennt hatte. Einmal im Jahr, am achtzehnten August, dem Geburtstag des Kaisers, fuhr er in Uniform in die nächste Garnisonstadt. Zweimal im Jahr kam der Sohn zu Besuch, in den Weihnachts- und in den Sommerferien. An jedem Weihnachtsabend erhielt der Junge drei harte silberne Gulden, die er durch Unterschrift quittieren mußte und niemals mitnehmen durfte. Die Gulden gelangten noch am selben Abend in eine Kassette, in die Lade des Alten. Neben den Gulden lagen die Schulzeugnisse. Sie kündeten von des Sohnes ordentlichem Fleiß und seiner mäßigen, stets hinreichenden Begabung. Niemals erhielt der Knabe ein Spielzeug, niemals ein Taschengeld, niemals ein Buch, abgesehen von den vorgeschriebenen 16
zurück zum  Buch Radetzkymarsch"
Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Radetzkymarsch