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Radetzkymarsch
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der Milch verlieren. Auch muß er knapp, bevor er zum Tisch kommt, angerichtet werden. Zu lange naß gewesen. Ein Fehler!« Fräulein Hirschwitz, die viele Jahre in Deutschland gelebt hatte, immer hochdeutsch sprach und auf deren Vorliebe für die literaturfähige Ausdrucksweise sich Herrn von Trottas »Beilagen« und »Meerrettich« bezogen hatten, nickte schwer und langsam. Es kostete sie offensichtlich Mühe, das bedeutende Gewicht des Haarknotens vom Nacken zu lösen und ihr Haupt zu einer zustimmenden Neigung zu veranlassen. So bekam ihre beflissene Freundlichkeit etwas Gemessenes, ja, sie schien sogar eine Abwehr zu enthalten. Und der Bezirkshauptmann sah sich veranlaßt zu sagen: »Ich habe sicherlich nicht Unrecht, meine Gnädigste!« Er sprach das nasale österreichische Deutsch der höheren Beamten und des kleinen Adels. Es erinnerte ein wenig an ferne Gitarren in der Nacht, auch an die letzten, zarten Schwingungen verhallender Glocken, es war eine sanfte, aber auch präzise Sprache, zärtlich und boshaft zugleich. Sie paßte zu dem mageren, knochigen Angesicht des Sprechers, zu seiner schmalen, gebogenen Nase, in der die klingenden, etwas wehmütigen Konsonanten zu liegen schienen. Nase und Mund waren, wenn der Bezirkshauptmann sprach, eher eine Art von Blasinstrumenten als Gesichtspartien. Außer den Lippen bewegte sich nichts in diesem Gesicht. Der dunkle Backenbart, den Herr von Trotta als ein Uniformstück trug, als ein Abzeichen, das seine Zugehörigkeit zu der Dienerschaft Franz Josephs des Ersten beweisen sollte, als einen Beweis seiner dynastischen Gesinnung: auch dieser Backenbart blieb reglos, wenn Herr von Trotta und Sipolje sprach. Aufrecht saß er am Tisch, als hielte er Zügel in den harten Händen. Wenn er saß, sah es aus, als stünde er, und wenn er sich erhob, überraschte immer wieder seine kerzengrade Größe. Er trug immer Dunkelblau, Sommer und Winter, an Sonn- und Wochentagen; einen dunkelblauen Rock und graue, gestreifte Hosen, die eng um seine langen Beine lagen und von Stegen um die glatten Zugstiefel straff gespannt wurden. Zwischen dem zweiten und dritten Gang pflegte er aufzustehen, um sich »Bewegung zu machen«. Aber es war eher, als wollte er seinen Hausgenossen vorführen, wie man sich erhebt, steht und wandelt, ohne die Reglosigkeit aufzugeben. Jacques räumte das Fleisch ab und fing einen hurtigen Blick von Fräulein Hirschwitz auf, der ihn ermahnte, den Rest für sie aufwärmen zu lassen. Herr von Trotta ging mit gemessenen Schritten zum Fenster, lüftete ein wenig die Gardine und kehrte an den Tisch zurück. In diesem Augenblick erschienen die Kirschknödel auf einem geräumigen Teller. Der Bezirkshauptmann nahm nur einen, zerschnitt ihn mit dem Löffel und sagte zu Fräulein Hirschwitz: »Das, meine Gnädigste, ist ein Muster von einem Kirschknödel. Er besitzt die nötige Konsistenz, wenn er aufgeschnitten wird, und gibt auf der Zunge dennoch sofort nach.« Und zu Carl Joseph 26
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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