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Radetzkymarsch
Seite - 29 -
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sagte die Frau Wachtmeister. »Sind recht groß geworden! Schon vierzehn vorbei?« »Jawohl, schon lange!« Er dachte daran, möglichst schnell das Haus zu verlassen. Die Limonade mußte man in einem Zug austrinken und eine schöne Verbeugung machen und den Mann grüßen lassen und weggehen. Er sah hilflos auf die Limonade, man wurde nicht mit ihr fertig. Frau Slama schüttete nach. Sie brachte Zigaretten. Rauchen war verboten. Sie zündete selbst eine Zigarette an und sog an ihr, nachlässig, mit geblähten Nasenflügeln, und wippte mit dem Fuß. Plötzlich nahm sie, ohne ein Wort, die Mütze von seinen Knien und legte sie auf den Tisch. Dann steckte sie ihm ihre Zigarette in den Mund, ihre Hand duftete nach Rauch und Kölnisch Wasser, der helle Ärmel ihres sommerlich geblümten Kleides schimmerte vor seinen Augen. Er rauchte höflich die Zigarette weiter, an deren Mundstück noch die Feuchtigkeit ihrer Lippen lag, und sah auf die Limonade. Frau Slama steckte die Zigarette wieder zwischen die Zähne und stellte sich hinter Carl Joseph. Er hatte Angst, sich umzuwenden. Auf einmal lagen ihre beiden schimmernden Ärmel an seinem Hals, und ihr Gesicht lastete auf seinen Haaren. Er rührte sich nicht. Aber sein Herz klopfte laut, ein großer Sturm brach in ihm aus, krampfhaft zurückgehalten vom erstarrten Körper und den festen Knöpfen der Uniform. »Komm!« flüsterte Frau Slama. Sie setzte sich auf seinen Schoß, küßte ihn flugs und machte schelmische Augen. Von ungefähr fiel ein blondes Büschel Haare in ihre Stirn, sie schielte hinauf und versuchte, es mit gespitzten Lippen wegzublasen. Er begann, ihr Gewicht auf seinen Beinen zu fühlen, gleichzeitig durchströmte ihn neue Kraft und spannte seine Muskeln im Schenkel und in den Armen. Er umschlang die Frau und fühlte die weiche Kühle ihrer Brust durch das harte Tuch der Uniform. Ein leises Kichern brach aus ihrer Kehle, es war ein wenig wie Schluchzen und etwas wie Trillern, Tränen standen in ihren Augen. Dann lehnte sie sich zurück und begann, mit zärtlicher Genauigkeit einen Knopf der Uniform nach dem andern zu lösen. Sie legte eine kühle, zarte Hand auf seine Brust, küßte seinen Mund lange, mit systematischem Genuß, und erhob sich plötzlich, als hätte sie irgendein Geräusch aufgeschreckt. Er sprang sofort auf, sie lächelte und zog ihn langsam, rückwärts schreitend, mit beiden ausgestreckten Händen und den Kopf zurückgeworfen, ein Leuchten im Gesicht, zur Tür, die sie von rückwärts mit dem Fuß aufstieß. Sie glitten ins Schlafzimmer. Wie ein ohnmächtig Gefesselter sah er zwischen halb geschlossenen Lidern, daß sie ihn entkleidete, langsam, gründlich und mütterlich. Mit einigem Entsetzen bemerkte er, wie Stück um Stück seiner Paradekleidung schlaff auf die Erde sank, er hörte den dumpfen Fall seiner Schuhe und fühlte sofort an seinem Fuß die Hand der Frau Slama. Von unten her stieg eine neue Welle von Wärme und Kühle bis an seine Brust. Er ließ sich fallen. Er empfing die Frau wie eine weiche, große Welle aus Wonne, Feuer und Wasser. 29
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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