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Radetzkymarsch
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riecht das Heu, den späten Duft der Akazien, die eben aufblühenden Knospen im Gärtchen des Gendarmeriekommandos. Frau Slama ist tot. Kathi, Katharina Luise nach dem Taufschein. Sie ist tot. Sie fuhren nach Hause. Der Bezirkshauptmann legte die Akten weg, bettete den Kopf zwischen die roten Samtpolster in der Fensterecke und schloß die Augen. Carl Joseph sah zum erstenmal den Kopf des Bezirkshauptmanns waagerecht gelegt, die Flügel der schmalen, knöchernen Nase gebläht, die zierliche Mulde im glattrasierten, gepuderten Kinn und den Backenbart ruhig gespreizt in zwei breiten, schwarzen Fittichen. Schon silberte er ein wenig an den äußersten Ecken, schon hatte ihn dort das Alter gestreift und an den Schläfen auch. Er wird eines Tages sterben! dachte Carl Joseph. Sterben wird er und begraben werden. Ich werde bleiben. Sie waren allein im Kupee. Das schlummernde Angesicht des Vaters wiegte sich friedlich im rötlichen Dämmer der Polsterung. Unter dem schwarzen Schnurrbart waren die blassen, schmalen Lippen wie ein einziger Strich, an dem dünnen Hals zwischen den blanken Ecken des Stehkragens wölbte sich der kahle Adamsapfel, die tausendfach gerunzelten, bläulichen Häute der geschlossenen Lider zitterten ständig und leise, die breite, weinrote Krawatte hob und senkte sich gleichmäßig, und auch die Hände schliefen, geborgen in den Achselhöhlen an den quer über der Brust gekreuzten Armen. Eine große Stille ging vom ruhenden Vater aus. Entschlafen und besänftigt schlummerte auch seine Strenge, eingebettet in der stillen, senkrechten Furche zwischen Nase und Stirn, wie ein Sturm schläft im schroffen Spalt zwischen den Bergen. Diese Furche war Carl Joseph bekannt, sogar wohlvertraut. Das Angesicht des Großvaters auf dem Porträt im Herrenzimmer zierte sie, dieselbe Furche, der zornige Schmuck der Trottas, das Erbteil des Helden von Solferino. Der Vater öffnete die Augen: »Wie lange noch?« »Zwei Stunden, Papa!« Es begann zu regnen. Es war Mittwoch, Donnerstagnachmittag war der Kondolenzbesuch bei Slama fällig. Es regnete auch Donnerstagvormittag. Eine Viertelstunde nach dem Essen, sie hielten noch beim Kaffee im Herrenzimmer, sagte Carl Joseph: »Ich gehe zu den Slamas, Papa!« »Er ist leider allein!« erwiderte der Bezirkshauptmann. »Du triffst ihn am besten um vier.« Man hörte in diesem Augenblick vom Kirchturm zwei helle Schläge, der Bezirkshauptmann hob den Zeigefinger und deutete in die Richtung der Glocken zum Fenster. Carl Joseph wurde rot. Es schien, daß der Vater, der Regen, die Uhren, die Menschen, die Zeit und die Natur selbst entschlossen waren, ihm den Weg noch schwerer zu machen. Auch an jenen Nachmittagen, an denen er noch zur lebenden Frau Slama gehen durfte, hatte er auf den 43
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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