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Radetzkymarsch
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mit Wohlbehagen den linken Handschuh langsam über, dazu hat er plötzlich mehr Zeit, und wie er »Na, auf Wiedersehn, Herr Slama!« sagt, vernimmt er selbst mit Befriedigung einen fremden, hochmütigen Klang in seiner Stimme. Slama steht da, mit gesenkten Augen und mit ratlosen Händen, die auf einmal leer geworden sind, als hätten sie bis zu diesem Augenblick etwas gehalten und soeben fallen gelassen und für immer verloren. Sie reichen einander die Hände. Hat Slama noch etwas zu sagen? – Egal! – »Vielleicht ein anderes Mal wieder, Herr Leutnant!« sagt er dennoch. Ja, er wird es wohl nicht ernstlich glauben, Carl Joseph hat das Angesicht Slamas schon vergessen. Er sieht nur die goldgelben Kanten am Kragen und die drei goldenen Zacken am schwarzen Ärmel der Gendarmeriebluse. »Leben Sie wohl, Wachtmeister!« Es regnet noch immer milde, unermüdlich, mit einzelnen föhnigen Windstößen. Es ist, als hätte es schon längst Abend sein müssen, und es könnte immer noch nicht Abend werden. Ewig dieses schraffierte, nasse Grau. Zum erstenmal, seitdem er Uniform trägt, ja, zum erstenmal, seitdem er denken kann, hat Carl Joseph das Gefühl, daß man den Kragen des Mantels hochschlagen müßte. Und er hebt sogar für einen Augenblick die Hände und erinnert sich, daß er Uniform trägt, und läßt sie wieder fallen. Es ist, als hätte er eine Sekunde lang seinen Beruf vergessen. Er geht langsam und klirrend über den nassen, knirschenden Kies des Vorgartens und freut sich seiner Langsamkeit. Er hat’s nicht nötig, sich zu beeilen; nichts ist gewesen, ein Traum war alles. Wie spät mag es sein? Die Taschenuhr ist zu tief geborgen unter der Bluse in der kleinen Hosentasche. Schade, den Mantel aufzuknöpfen. Bald wird es ohnehin vom Turm schlagen. Er öffnet das Gartengitter, er tritt auf die Straße. »Herr Baron!« sagt plötzlich hinter ihm der Wachtmeister. Rätselhaft, wie unhörbar er gefolgt ist. Ja, Carl Joseph erschrickt. Er bleibt stehn, kann sich aber nicht entschließen, sich sogleich umzuwenden. Vielleicht ruht der Lauf einer Pistole genau in der Mulde, zwischen den vorschriftsmäßigen Rückenfalten des Mantels. Grauenhafter und kindischer Einfall! Fängt alles aufs neue an? »Ja!« sagt er, immer noch mit hochmütiger Lässigkeit, die wie eine mühselige Fortsetzung seines Abschieds ist und ihn sehr anstrengt – und macht kehrt. Ohne Mantel und barhäuptig steht der Wachtmeister im Regen, mit dem nassen, zweiflügeligen Bürstchen und dicken Wasserperlen an der blonden, glatten Stirn. Er hält ein blaues Päckchen, kreuzweis mit silbernem Bindfaden verschnürt. »Das ist für Sie, Herr Baron!« sagt er, die Augen niedergeschlagen. »Bitte um Entschuldigung! Der Herr Bezirkshauptmann hat’s angeordnet. Ich hab’s damals gleich hingebracht. Der Herr Bezirkshauptmann hat’s schnell überflogen und gesagt, ich soll’s persönlich übergeben!« 50
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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