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Radetzkymarsch
Seite - 58 -
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Warum flüsterten sie alle, wenn er sich von ihnen abwandte und ehe er zu ihnen stieß? Warum saß er so schlecht zu Pferd? Ach, er kannte sich! Er sah seine Silhouette wie im Spiegel, man konnte ihm nichts einreden. Hinter seinem Rücken zischelten die geheimen Reden der Kameraden. Ihre Antworten begriff er erst, nachdem man sie ihm erklärt hatte, und auch dann konnte er nicht lachen; dann erst recht nicht! Der Oberst Kovacs liebte ihn dennoch. Und er hatte sicher eine ausgezeichnete Konduitenliste. Man lebte im Schatten des Großvaters! Das war es! Man war ein Enkel des Helden von Solferino, der einzige Enkel. Man fühlte den dunklen, rätselhaften Blick des Großvaters im Nacken! Man war der Enkel des Helden von Solferino! Ein paar Minuten lang standen Carl Joseph und sein Bursche Onufrij einander schweigend gegenüber, auf der milchig schimmernden Landstraße. Der Mond und die Stille verlängerten noch die Minuten. Onufrij rührte sich nicht. Er stand wie ein Denkmal, überglänzt vom silbernen Mond. Carl Joseph wandte sich plötzlich um und begann zu marschieren. Genau drei Schritte hinter ihm folgte Onufrij. Carl Joseph hörte den regelmäßigen Aufschlag der schweren Stiefel und den eisernen Klang der Sporen. Es war die Treue selbst, die ihm folgte. Jeder Aufschlag des Stiefels war wie ein neues, kurzes, gestampftes Gelöbnis soldatischer Burschentreue. Carl Joseph fürchtete umzukehren. Er wünschte, daß diese schnurgerade Straße plötzlich eine unerwartete, unbekannte Abzweigung böte, einen Seitenweg; Flucht vor der beharrlichen Dienstfertigkeit Onufrijs. Der Bursche folgte ihm im gleichen Takt. Der Leutnant bemühte sich, mit den Stiefeln hinter seinem Rücken Schritt zu halten. Er fürchtete, Onufrij zu enttäuschen, wenn er den Schritt etwas achtlos wechselte. In den zuverlässig aufstampfenden Stiefeln war sie, die Treue Onufrijs. Und jeder neue Aufschlag rührte Carl Joseph. Es war, als versuchte dort hinter seinem Rücken ein ungelenker Kerl, mit schweren Sohlen an das Herz des Herrn zu klopfen; hilflose Zärtlichkeit eines gestiefelten und gespornten Bären. Schließlich erreichten sie den Stadtrand. Carl Joseph war ein gutes Wort eingefallen, das für den Abschied taugte. Er wandte sich um und sagte: »Viel Vergnügen, Onufrij!« Und er bog schnell in die Seitengasse ein. Der Dank des Burschen traf ihn nur noch als fernes Echo. Er mußte einen Umweg machen. Er erreichte das Kasino zehn Minuten später. Es lag im ersten Stock eines der besten Häuser am alten Ring. Alle Fenster strömten, wie jeden Abend, Licht auf den Platz, auf den Korso der Bevölkerung. Es war spät, man mußte sich geschickt durch die dichten Scharen der spazierfreudigen Bürger und ihrer Frauen winden. Tag für Tag bereitete es dem Leutnant unsagbare Pein, in klirrender Buntheit zwischen den dunklen Zivilisten aufzutauchen, von neugierigen, gehässigen und lüsternen Blicken getroffen zu werden und schließlich wie ein Gott in die hellerleuchtete Toreinfahrt des Kasinos 58
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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