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Warum flüsterten sie alle, wenn er sich von ihnen abwandte und ehe er zu
ihnen stieß? Warum saß er so schlecht zu Pferd? Ach, er kannte sich! Er sah
seine Silhouette wie im Spiegel, man konnte ihm nichts einreden. Hinter
seinem Rücken zischelten die geheimen Reden der Kameraden. Ihre
Antworten begriff er erst, nachdem man sie ihm erklärt hatte, und auch dann
konnte er nicht lachen; dann erst recht nicht! Der Oberst Kovacs liebte ihn
dennoch. Und er hatte sicher eine ausgezeichnete Konduitenliste. Man lebte
im Schatten des Großvaters! Das war es! Man war ein Enkel des Helden von
Solferino, der einzige Enkel. Man fühlte den dunklen, rätselhaften Blick des
Großvaters im Nacken! Man war der Enkel des Helden von Solferino!
Ein paar Minuten lang standen Carl Joseph und sein Bursche Onufrij
einander schweigend gegenüber, auf der milchig schimmernden Landstraße.
Der Mond und die Stille verlängerten noch die Minuten. Onufrij rührte sich
nicht. Er stand wie ein Denkmal, überglänzt vom silbernen Mond. Carl
Joseph wandte sich plötzlich um und begann zu marschieren. Genau drei
Schritte hinter ihm folgte Onufrij. Carl Joseph hörte den regelmäßigen
Aufschlag der schweren Stiefel und den eisernen Klang der Sporen. Es war
die Treue selbst, die ihm folgte. Jeder Aufschlag des Stiefels war wie ein
neues, kurzes, gestampftes Gelöbnis soldatischer Burschentreue. Carl Joseph
fürchtete umzukehren. Er wünschte, daß diese schnurgerade Straße plötzlich
eine unerwartete, unbekannte Abzweigung böte, einen Seitenweg; Flucht vor
der beharrlichen Dienstfertigkeit Onufrijs. Der Bursche folgte ihm im
gleichen Takt. Der Leutnant bemühte sich, mit den Stiefeln hinter seinem
Rücken Schritt zu halten. Er fürchtete, Onufrij zu enttäuschen, wenn er den
Schritt etwas achtlos wechselte. In den zuverlässig aufstampfenden Stiefeln
war sie, die Treue Onufrijs. Und jeder neue Aufschlag rührte Carl Joseph. Es
war, als versuchte dort hinter seinem Rücken ein ungelenker Kerl, mit
schweren Sohlen an das Herz des Herrn zu klopfen; hilflose Zärtlichkeit eines
gestiefelten und gespornten Bären.
Schließlich erreichten sie den Stadtrand. Carl Joseph war ein gutes Wort
eingefallen, das für den Abschied taugte. Er wandte sich um und sagte: »Viel
Vergnügen, Onufrij!« Und er bog schnell in die Seitengasse ein. Der Dank des
Burschen traf ihn nur noch als fernes Echo. Er mußte einen Umweg machen.
Er erreichte das Kasino zehn Minuten später. Es lag im ersten Stock eines der
besten Häuser am alten Ring. Alle Fenster strömten, wie jeden Abend, Licht
auf den Platz, auf den Korso der Bevölkerung. Es war spät, man mußte sich
geschickt durch die dichten Scharen der spazierfreudigen Bürger und ihrer
Frauen winden. Tag für Tag bereitete es dem Leutnant unsagbare Pein, in
klirrender Buntheit zwischen den dunklen Zivilisten aufzutauchen, von
neugierigen, gehässigen und lüsternen Blicken getroffen zu werden und
schließlich wie ein Gott in die hellerleuchtete Toreinfahrt des Kasinos
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Buch Radetzkymarsch"
Radetzkymarsch
- Titel
- Radetzkymarsch
- Autor
- Joseph Roth
- Datum
- 1932
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 294
- Schlagwörter
- Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
- Kategorien
- Weiteres Belletristik