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Carl Joseph lächelte Kindermann zu. Der Fähnrich Bärenstein hatte längst
eine Partie Domino begonnen und war im Begriff zu verlieren. Er hielt es für
eine Anstandspflicht zu verlieren, wenn er mit Aktiven spielte. Im Zivil
gewann er immer. Er war sogar unter Rechtsanwälten ein gefürchteter Spieler.
Wenn er aber zu den jährlichen Übungen einrückte, schaltete er seine
Überlegung aus und bemühte sich, töricht zu werden. »Der verliert
unaufhörlich«, sagte Kindermann zu Trotta. Der Leutnant Kindermann war
überzeugt, daß die »Zivilisten« minderwertige Wesen waren. Nicht einmal im
Domino konnten sie gewinnen.
Der Oberst saß immer noch in seiner Ecke mit dem Rittmeister Taittinger.
Einige Herren wandelten gelangweilt zwischen den Tischchen. Sie wagten
nicht, das Kasino zu verlassen, solange der Oberst spielte. Die sanfte
Pendeluhr weinte jede Viertelstunde sehr deutlich und langsam, ihre
wehmütige Melodie unterbrach das Klappern der Dominosteine und der
Schachfiguren. Manchmal schlug eine der Ordonnanzen die Hacken
zusammen, lief in die Küche und kehrte mit einem Gläschen Cognac auf einer
lächerlich großen Platte wieder. Manchmal lachte einer schallend auf, und sah
man in die Richtung, aus der das Gelächter kam, so erblickte man vier
zusammengesteckte Köpfe und begriff, daß es sich um Witze handelte. Diese
Witze! Diese Anekdoten, bei denen alle sofort erkannten, ob man aus
Gefälligkeit mitlachte oder aus Verständnis! Sie schieden die Heimischen von
den Fremden. Wer sie nicht verstand, gehörte nicht zu den Bodenständigen.
Nein, nicht zu ihnen gehörte Carl Joseph!
Er war im Begriff, eine neue Partie zu dritt vorzuschlagen, als die Tür
geöffnet wurde und die Ordonnanz mit einem auffällig lauten Knall der
Stiefelhacken salutierte. Es wurde im Augenblick still. Der Oberst Kovacs
sprang von seinem Sitz auf und sah nach der Tür. Kein anderer war
eingetreten als der Regimentsarzt Demant. Er selbst erschrak über die
Aufregung, die er verursacht hatte. Er blieb an der Tür stehn und lächelte. Die
Ordonnanz an seiner Seite stand immer noch stramm und störte ihn sichtlich.
Er winkte mit der Hand. Aber der Bursche merkte es nicht. Die starken
Brillengläser des Doktors waren leicht überhaucht von dem herbstlichen
Abendnebel draußen. Er war gewohnt, die Brille abzunehmen, um sie zu
putzen, wenn er aus der kalten Luft in die Wärme trat. Hier aber wagte er es
nicht. Es dauerte eine Weile, ehe er die Schwelle verließ. »Ah, schau her, da
ist ja der Doktor!« rief der Oberst. Er schrie aus Leibeskräften, als gälte es,
sich im Getümmel eines Volksfestes verständlich zu machen. Er glaubte, der
Gute, daß Kurzsichtige auch taub seien und daß ihre Brillen klarer würden,
wenn ihre Ohren besser hörten. Die Stimme des Obersten bahnte sich eine
Gasse. Die Offiziere traten zurück. Die wenigen, die noch an den Tischen
gesessen hatten, erhoben sich. Der Regimentsarzt setzte vorsichtig einen Fuß
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Buch Radetzkymarsch"
Radetzkymarsch
- Titel
- Radetzkymarsch
- Autor
- Joseph Roth
- Datum
- 1932
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 294
- Schlagwörter
- Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
- Kategorien
- Weiteres Belletristik