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Radetzkymarsch
Seite - 65 -
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Großvater«, sagte der Regimentsarzt, »war einer der merkwürdigsten Menschen der Armee. Haben Sie ihn noch gekannt?« »Ich habe ihn nicht mehr gekannt«, antwortete Carl Joseph. »Sein Bild hängt bei uns zu Hause im Herrenzimmer. Wie ich klein war, hab’ ich es oft betrachtet. Und sein Diener, der Jacques, ist noch bei uns.« »Was ist das für ein Bild?« fragte der Regimentsarzt. »Ein Jugendfreund hat es gemalt!« sagte Carl Joseph. »Es ist ein merkwürdiges Bild. Es hängt ziemlich hoch. Als ich klein war, mußte ich auf einen Stuhl steigen. Da hab’ ich es betrachtet.« Sie waren ein paar Augenblicke still. Dann sagte der Doktor: »Mein Großvater war ein Schankwirt; ein jüdischer Schankwirt in Galizien. Galizien, kennen Sie das?« (Ein Jude war der Doktor Demant. Alle Anekdoten enthielten jüdische Regimentsärzte. Zwei Juden hatte es auch in der Kadettenschule gegeben. Sie waren dann zur Infanterie gekommen.) »Zu Resi, zu Tante Resi!« rief plötzlich jemand. Und alle wiederholten: »Zu Resi. Man geht zur Resi!« »Zur Tante Resi!« Nichts hätte Carl Joseph stärker erschrecken können als dieser Ruf. Seit Wochen erwartete er ihn voller Angst. Vom letzten Besuch im Bordell der Frau Horwath behielt er noch alles in deutlicher Erinnerung alles! den Sekt, der aus Kampfer und Limonade bestand, den weichen, fleischigen Teig der Mädchen, das schmetternde Rot und das irrsinnige Gelb der Tapeten, im Korridor den Geruch von Katzen, Mäusen und Maiglöckchen und das Sodbrennen zwölf Stunden später. Er war kaum eine Woche eingerückt, und es war sein erster Besuch in einem Bordell gewesen. »Liebesmanöver!« sagte Taittinger. Er war der Anführer. Es gehörte zu den Obliegenheiten eines Offiziers, der die Messe seit undenklichen Zeiten verwaltete. Bleich und hager, den Korb des Säbels im Arm, mit langen, dünnen und sanft klirrenden Schritten ging er im Salon der Frau Horwath von einem Tisch zum andern, ein schleichender Mahner zu saurer Freude. Kindermann war der Ohnmacht nahe, wenn er nackte Frauen roch, das weibliche Geschlecht machte ihm Übelkeiten. Der Major Prohaska stand in der Toilette, ehrlich bemüht, seinen dicken, kurzen Finger in den Gaumen zu stecken. Die seidenen Röcke der Frau Resi Horwath raschelten gleichzeitig in allen Winkeln des Hauses. Ihre großen, schwarzen Augenbälle rollten ohne Richtung und Ziel in ihrem breiten, mehligen Antlitz herum, weiß und groß wie Klaviertasten schimmerte in ihrem breiten Mund das falsche Gebiß. Trautmannsdorff verfolgte von seiner Ecke aus alle ihre Bewegungen mit winzigen, flinken, grünlichen Blicken. Er stand schließlich auf und steckte eine Hand in den Busen der Frau Horwath. Sie verlor sich drinnen wie eine weiße Maus in weißen Bergen. Und Pollak, der Klavierspieler, saß mit gebeugtem Rücken, Sklave der Musik, am 65
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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