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der Rittmeister Taittinger. Fähnrich Bärensteins Monokel steckte jetzt im
Auge eines weißblonden Mädchens. Er saß da, mit kleinen, zwinkernden,
schwarzen Äuglein, seine braunen, behaarten Hände krochen wie
merkwürdige Tiere über das Fräulein. Allmählich hatten alle ihre Plätze
eingenommen. Zwischen dem Doktor und Carl Joseph, auf dem roten Sofa,
saßen zwei Frauen, steif, mit angezogenen Knien, eingeschüchtert von den
verzweifelten Gesichtern der beiden Männer. Als der Sekt kam – die strenge
Hausdame in schwarzem Taft brachte ihn feierlich –, zog Frau Horwath
entschlossen die Hand des Oberleutnants aus ihrem Ausschnitt, legte sie ihm
auf die schwarze Hose, aus Ordnungsliebe, wie man einen geborgten
Gegenstand zurückerstattet, und erhob sich, mächtig und gebieterisch. Sie
löschte den Kronleuchter aus. Nur die kleinen Lampen brannten in den
Nischen. Im rötlichen Halbdämmer leuchteten die gepuderten, weißen Leiber,
blinkten die goldenen Sterne, schimmerten die silbernen Säbel. Ein Paar nach
dem anderen erhob sich und verschwand. Prohaska, der schon längst beim
Cognac hielt, trat an den Regimentsarzt und sagte: »Ihr braucht sie ja doch
nicht, ich nehm’ sie mit!« Und er nahm die Frauen und torkelte zwischen
beiden der Treppe entgegen.
So waren sie auf einmal allein, Carl Joseph und der Doktor. Der
Klavierspieler Pollak streichelte nur so über die Tasten in der
gegenüberliegenden Ecke des Salons. Ein sehr zärtlicher Walzer kam zage
und dünn durch den Raum gezogen. Sonst war es still und beinahe traulich,
und die Standuhr am Kamin tickte. »Ich glaube, wir zwei haben hier nichts zu
tun, wie?« fragte der Doktor. Er stand auf, Carl Joseph sah nach der Uhr auf
dem Kamin und erhob sich ebenfalls. Er konnte im Dunkel nicht die Stunde
erkennen, ging nahe an die Standuhr und trat wieder einen Schritt zurück. In
einem bronzenen, von Fliegen betupften Rahmen stand der Allerhöchste
Kriegsherr, in Verkleinerung, das bekannte, allgegenwärtige Porträt Seiner
Majestät, im blütenweißen Gewände, mit blutroter Schärpe und goldenem
Vlies. Es muß etwas geschehen, dachte der Leutnant schnell und kindisch. Es
muß etwas geschehen! Er fühlte, daß er bleich geworden war und daß sein
Herz klopfte. Er griff nach dem Rahmen, öffnete die papierene, schwarze
Rückwand und nahm das Bild heraus. Er faltete es zusammen, zweimal, noch
einmal und steckte es in die Tasche. Er wandte sich um. Hinter ihm stand der
Regimentsarzt. Er zeigte mit dem Finger auf die Tasche, in der Carl Joseph
das kaiserliche Porträt verborgen hatte. Auch der Großvater hat ihn gerettet,
dachte Doktor Demant. Carl Joseph wurde rot. »Schweinerei!« sagte er. »Was
denken Sie?«
»Nichts«, erwiderte der Doktor. »Ich hab’ nur an Ihren Großvater gedacht!«
»Ich bin sein Enkel!« sagte Carl Joseph. »Ich hab’ keine Gelegenheit, ihm
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Buch Radetzkymarsch"
Radetzkymarsch
- Titel
- Radetzkymarsch
- Autor
- Joseph Roth
- Datum
- 1932
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 294
- Schlagwörter
- Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
- Kategorien
- Weiteres Belletristik