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Radetzkymarsch
Seite - 76 -
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Text der Seite - 76 -

Puderquaste in der Hand. Und er liebte sie. Ich bin ja eifersüchtig, dachte er. Er sagte: »Ich hab’s nicht gern, wenn die Leute ins Haus kommen, und ich weiß nichts davon!« »Er ist ein reizender Bursche!« sagte die Frau und begann, sich langsam und ausgiebig vor dem Spiegel zu pudern. Der Regimentsarzt trat nahe an seine Frau heran und ergriff ihre Schultern. Er sah in den Spiegel. Er sah seine braunen, behaarten Hände auf ihren weißen Schultern. Sie lächelte. Er sah es, im Spiegel, das gläserne Echo ihres Lächelns. »Sei aufrichtig!« flehte er. Es war, als knieten seine Hände auf ihren Schultern. Er wußte sofort, daß sie nicht aufrichtig sein würde. Und er wiederholte: »Sei aufrichtig, bitte!« Er sah, wie sie mit hurtigen, blassen Händen ihre blonden Haare an den Schläfen lockerte. Eine überflüssige Bewegung: Sie regte ihn auf. Aus dem Spiegel traf ihn ihr Blick, ein grauer, kühler, trockener und flinker Blick, wie ein stählernes Geschoß. Ich liebe sie, dachte der Regimentsarzt. Sie tut mir weh, und ich liebe sie. Er fragte: »Bist du mir bös, daß ich den ganzen Nachmittag fort war?« Sie wandte sich halb um. Jetzt saß sie, den Oberkörper in den Hüften verrenkt, ein lebloses Wesen, Modell aus Wachs und seidener Wäsche. Unter dem Vorhang ihrer langen, schwarzen Wimpern erschienen die hellen Augen, falsche, nachgemachte Blitze aus Eis. Ihre schmalen Hände lagen auf den Höschen wie weiße Vögel, gestickt auf blauseidenem Grund. Und mit einer tiefen Stimme, die er niemals von ihr vernommen zu haben glaubte und die ebenfalls ein Mechanismus in ihrer Brust hervorzubringen schien, sagte sie ganz langsam: »Ich vermisse dich nie!« Er begann, auf und ab zu gehn, ohne die Frau anzuschaun. Er schob zwei Stühle aus dem Weg. Es war ihm, als müßte er vieles noch aus seinem Weg räumen, die Wände vielleicht wegschieben, mit dem Kopf die Decke zertrümmern, mit den Füßen die Dielen in die Erde treten. Seine Sporen klirrten ihm leise in die Ohren, von ferne her, als trüge sie ein anderer. Ein einziges Wort belebte seinen Kopf, es rauschte hin und zurück, es flog durch sein Gehirn, unaufhörlich. Aus, aus, aus! Ein kleines Wort. Hurtig, federleicht und zentnerschwer zugleich flog es durch sein Gehirn. Seine Schritte wurden immer schneller, die Füße hielten gleichen Takt mit dem beschwingten Pendelschlag des Wortes in seinem Kopf. Plötzlich blieb er stehen: »Du liebst mich also nicht?« fragte er. Er war sicher, daß sie nicht darauf antworten würde. Schweigen wird sie, dachte er. Sie antwortete: »Nein!« Sie hob den schwarzen Vorhang ihrer Wimpern und maß ihn mit nackten, schrecklich nackten Augen, von Kopf zu Fuß und fügte hinzu: »Du bist ja betrunken!« 76
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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