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Radetzkymarsch
Seite - 78 -
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der Leutnant Trotta erscheinen. Er löste sich, ein schwarzer Strich, von dem mächtigen Weiß der Kaserne und näherte sich dem Doktor. Noch drei Minuten. Sie standen einander gegenüber. Jetzt standen sie einander gegenüber. Der Leutnant salutierte. Doktor Demant hörte sich selbst wie aus einer unendlichen Ferne: »Sie waren heute nachmittag bei meiner Frau, Herr Leutnant?« Die Frage widerhallte vom blauen, gläsernen Gewölbe des Himmels. Längst, seit Wochen, sagten sie einander du. Sie sagten einander du. Nun aber standen sie sich gegenüber wie Feinde. »Ich war heute nachmittag bei Ihrer Frau, Herr Regimentsarzt!« sagte der Leutnant. Doktor Demant trat ganz nahe an den Leutnant: »Was gibt es zwischen meiner Frau und Ihnen, Herr Leutnant?« Die starken Brillengläser des Doktors funkelten. Der Regimentsarzt hatte keine Augen mehr, nur Brillen. Carl Joseph schwieg. Es war, als gäbe es in der ganzen weiten, großen Welt keine Antwort auf die Frage Doktor Demants. Man hätte Jahrzehnte umsonst nach einer Antwort suchen können; als wäre die Sprache der Menschen ausgeschöpft und für ewige Zeiten verdorrt. Das Herz schlug mit schnellen, trockenen, harten Schlägen gegen die Rippen. Trocken und hart klebte die Zunge am Gaumen. Eine große, grausame Leere rauschte durch den Kopf. Es war, als stünde man knapp vor einer namenlosen Gefahr und als hätte sie einen zugleich bereits verschlungen. Man stand vor einem riesigen, schwarzen Abgrund:, und gleichzeitig war man bereits von seiner Finsternis überwölbt. Aus einer vereisten, glasigen Ferne erklangen die Worte Doktor Demants, tote Worte, Leichen von Worten: »Antworten Sie, Herr Leutnant!« Nichts. Stille. Die Sterne funkeln, und der Mond schimmert. »Antworten Sie, Herr Leutnant!« Damit ist Carl Joseph gemeint, er muß antworten. Er nimmt die kümmerlichen Reste seiner Kräfte zusammen. Aus der rauschenden Leere in seinem Kopf schlängelt sich ein dünner, nichtswürdiger Satz. Der Leutnant schlägt die Absätze zusammen (aus militärischem Instinkt und auch, um irgendwie Geräusch zu hören), und das Klirren seiner Sporen beruhigt ihn. Und er sagt ganz leise: »Herr Regimentsarzt, zwischen Ihrer Frau und mir ist gar nichts!« Nichts. Stille. Die Sterne funkeln, und der Mond schimmert. Doktor Demant sagt nichts. Aus toten Brillen schaut er Carl Joseph an. Der Leutnant wiederholt ganz leise: »Gar nichts, Herr Regimentsarzt!« Er ist verrückt geworden, denkt der Leutnant. Und: Es ist zerbrochen! Es ist etwas zerbrochen. Es ist, als hätte er ein dürres, splitterndes Zerbrechen vernommen. Gebrochene Treue! fällt ihm ein, er hat die Wendung einmal 78
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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