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Herren, daß wir diesmal ein diskreteres –«, er wollte »Begräbnis« sagen, hielt
ein, überlegte lange, fand kein Wort, sah zum Plafond, und um seinen Kopf
wie um die Köpfe der Zuhörer rauschte eine furchtbare Stille. Endlich schloß
der Rittmeister: »– einen diskreteren Vorgang haben werden.« Er atmete einen
Augenblick auf, verschluckte ein kleines Backwerk und trank sein Wasser in
einem Zug leer.
Alle fühlten, daß er den Tod angerufen hatte. Der Tod schwebte über ihnen,
und er war ihnen keineswegs vertraut. Im Frieden waren sie geboren und in
friedlichen Manövern und Exerzierübungen Offiziere geworden. Damals
wußten sie noch nicht, daß jeder von ihnen, ohne Ausnahme, ein paar Jahre
später mit dem Tod zusammentreffen sollte. Damals war keiner unter ihnen
scharfhörig genug, das große Räderwerk der verborgenen, großen Mühlen zu
vernehmen, die schon den großen Krieg zu mahlen begannen. Winterlicher
weißer Friede herrschte in der kleinen Garnison. Und schwarz und rot flatterte
über ihnen der Tod im Dämmer des Hinterstübchens. »Ich kann’s nicht
begreifen!« sagte einer von den Jungen. Alle hatten schon ähnliches gesagt.
»Aber ich erzähl’s doch schon zum x-ten Mal!« erwiderte Taittinger. »Die
Wandertruppe, damit hat’s angefangen! Mich hat der Teufel geritten, grad zu
der Operette hinzugehen, zu dem, wie heißt’s denn, jetzt hab’ ich den Namen
auch schon vergessen, also, wie heißt’s denn?« – »Der Rastelbinder!« sagte
einer. »Richtig! also mit dem ›Rastelbinder‹ hat’s angefangen! Wie ich grad
aus dem Theater komm’, steht der Trotta gottverlassen einsam im Schnee auf
dem Platz, ich bin nämlich vor Schluß fortgegangen, das mach’ ich immer so,
meine Herren! Ich kann’s nie bis zum End’ aushalten, ‘s geht gut aus, das
kann man gleich erkennen, wann der dritte Akt anfangt, und dann weiß ich eh
alles, und dann geh’ ich eben, so leis wie möglich, aus dem Saal. Außerdem
hab’ ich das Stück schon dreimal gesehn! – na! – Da steht also der arme
Trotta mutterseelenallein im Schnee. Ich sag’: ›Ganz nett ist das Stück
gewesen.‹ Und erzähl’ noch das merkwürdige Benehmen von Demant! Der
hat mich kaum angeschaut, läßt seine Frau im zweiten Akt allein und geht
einfach weg und kommt nicht wieder! Er hätt’ mir ja auch die Frau
anvertrauen können, aber so einfach fortgehn, das ist beinah ein Skandal, und
all das sag’ ich dem Trotta. ›Ja‹, sagt der, ›mit dem Demant hab’ ich schon
lang nicht mehr gesprochen … ‹«
»Den Trotta und den Demant hat man wochenlang zusammen gesehn!« rief
jemand.
»Weiß ich natürlich, und deshalb hab’ ich auch dem Trotta von dem
kuriosen Benehmen Demants erzählt. Aber ich misch’ mich ja auch nicht
weiter in fremde Angelegenheiten, und deshalb frag’ ich den Trotta, ob er
noch auf einen Sprung mit mir in die Konditorei kommt. ›Nein‹, sagt er, ›hab’
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Buch Radetzkymarsch"
Radetzkymarsch
- Titel
- Radetzkymarsch
- Autor
- Joseph Roth
- Datum
- 1932
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 294
- Schlagwörter
- Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
- Kategorien
- Weiteres Belletristik