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Radetzkymarsch
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»Bravo!« rief der kleine Sternberg noch einmal. Und alle nickten Beifall. Sie wurden wieder still. Man hörte aus der nahen Küche der Konditorei hartes Klappern des Geschirrs und von der Straße her das helle Geklingel eines Schlittens. Taittinger schob noch ein Backwerk in den Mund. »Jetz’ haben wir die Bescherung!« rief der kleine Sternberg. Taittinger verschluckte den letzten Rest seiner Süßigkeit und sagte nur: »Morgen, sieben Uhr zwanzig!« Morgen, sieben Uhr zwanzig! Sie kannten die Bedingungen: gleichzeitiger Kugelwechsel, zehn Schritt Entfernung. Säbel hätte man beim Doktor Demant unmöglich durchsetzen können. Er konnte nicht fechten. Morgen, sieben Uhr früh, rückt das Regiment zur Exerzierübung auf die Wasserwiese aus. Von der Wasserwiese bis zu dem sogenannten »Grünen Platz« hinter dem alten Schloß, wo das Duell stattfinden wird, sind kaum zweihundert Schritte. Jeder von den Offizieren weiß daß er morgen, während der Gelenksübungen noch, zwei Schüsse vernehmen wird. Jeder hörte sie schon jetzt, die zwei Schüsse. Mit schwarzen und roten Fittichen rauschte der Tod über ihren Köpfen. »Zahlen!« rief Taittinger. Und sie verließen die Konditorei. Es schneite neuerlich. Ein stummes, dunkelblaues Rudel, gingen sie durch den stummen, weißen Schnee, verloren sich zu zweit und einzeln. Jeder von ihnen hatte Angst, allein zu bleiben; aber es war ihnen auch nicht möglich zusammenzusein. Sie trachteten, sich in den Gäßchen der winzigen Stadt zu verlieren, und mußten einander wieder nach ein paar Augenblicken begegnen. Die gekrümmten Gassen trieben sie zusammen. Sie waren gefangen in der kleinen Stadt und in der großen Ratlosigkeit. Und immer, wenn einer dem andern entgegenkam, erschraken beide, jeder vor der Angst des andern. Sie warteten auf die Stunde des Abendessens, und sie fürchteten gleichzeitig den nahenden Abend im Kasino, wo sie heute, heute schon, nicht alle anwesend sein würden. In der Tat, sie waren nicht alle vorhanden! Tattenbach fehlte, der Major Prohaska, der Doktor, der Oberleutnant Zander und der Leutnant Christ und überhaupt die Sekundanten. Taittinger aß nicht. Er saß vor einem Schachbrett und spielte mit sich selbst. Niemand sprach. Die Ordonnanzen standen still und steinern an den Türen, man hörte das langsame, harte Ticken der großen Standuhr, links von ihr sah der Allerhöchste Kriegsherr aus kalten, porzellanblauen Augen auf seine schweigsamen Offiziere. Es wagte weder jemand, allein fortzugehn, noch den Nächsten mitzunehmen. Und also blieben sie, jeder an seinem Platz. Wo zwei oder drei zusammensaßen, tropften die Worte einzeln und schwer von den Lippen, und zwischen Wort und Antwort lastete eine große Stille aus Blei. Jeder fühlte die Stille auf seinem Rücken. 85
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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