Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Weiteres
Belletristik
Radetzkymarsch
Seite - 86 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 86 - in Radetzkymarsch

Bild der Seite - 86 -

Bild der Seite - 86 - in Radetzkymarsch

Text der Seite - 86 -

Sie gedachten derer, die nicht da waren, als wären die Abwesenden schon Tote. Alle erinnerten sich an den Eintritt Doktor Demants, vor einigen Wochen, nach seinem langen Krankheitsurlaub. Sie sahen seinen zögernden Schritt und seine funkelnden Brillen. Sie sahen den Grafen Tattenbach, den kurzen, rundlichen Leib auf gekrümmten Reiterbeinen, den ewig roten Schädel mit den gestutzten, wasserblonden, in der Mitte gescheitelten Haaren und den hellen, kleinen, rotgeränderten Äugelein. Sie hörten die leise Stimme des Doktors und die polternde des Rittmeisters. Und obwohl in ihren Herzen und Sinnen, seitdem sie denken und fühlen konnten, die Worte Ehre und Sterben, Schießen und Schlagen, Tod und Grab heimisch waren, schien es ihnen heute unfaßbar, daß sie vielleicht für ewig geschieden waren von der polternden Stimme des Rittmeisters und von der sanften des Doktors. Sooft die wehmütigen Glocken der großen Wanduhr erklangen, glaubten die Männer, daß ihre eigene letzte Stunde geschlagen habe. Sie wollten ihren Ohren nicht trauen und blickten nach der Wand. Kein Zweifel: Die Zeit hielt nicht. Sieben Uhr zwanzig, sieben Uhr zwanzig, sieben Uhr zwanzig hämmerte es in allen Hirnen. Sie erhoben sich, einer nach dem andern, zögernd und schamhaft; während sie einander verließen, war es ihnen, als verrieten sie einander. Sie gingen beinahe lautlos. Ihre Sporen klirrten nicht, ihre Säbel schepperten nicht, ihre Sohlen traten taub einen tauben Boden. Vor Mitternacht noch war das Kasino leer. Und eine Viertelstunde vor Mitternacht erreichten der Oberleutnant Schlegel und der Leutnant Kindermann die Kaserne, in der sie wohnten. Aus dem ersten Stock, wo die Offiziersstuben lagen, warf ein einziges belichtetes Fenster ein gelbes Rechteck in die quadratische Finsternis des Hofes. Beide blickten gleichzeitig hinauf. »Das ist der Trotta!« sagte Kindermann. »Das ist der Trotta!« wiederholte Schlegel. »Wir sollten noch einen Blick hineintun!« »Es wird ihm nicht passen!« Sie gingen klirrend durch den Korridor, hemmten den Schritt vor der Tür des Leutnants Trotta und lauschten. Nichts rührte sich. Oberleutnant Schlegel griff nach der Klinke, drückte sie aber nicht nieder. Er zog wieder die Hand zurück, und beide entfernten sich. Sie nickten einander zu und gingen in ihre Zimmer. Der Leutnant Trotta hatte sie in der Tat nicht gehört. Seit nunmehr vier Stunden bemühte er sich, seinem Vater einen ausführlichen Brief zu schreiben. Er kam über die ersten Zeilen nicht hinaus. »Lieber Vater!« So begann er, »ich bin ahnungslos und unschuldig der Anlaß einer tragischen Ehrenaffäre geworden.« Seine Hand war schwer. Ein totes, nutzloses 86
zurück zum  Buch Radetzkymarsch"
Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Radetzkymarsch