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Radetzkymarsch
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auch ein Enkel!« Er dachte in diesem Augenblick nicht an die Ängste des Leutnants. Es schien ihm sehr wohl möglich, jetzt noch allem Bedrohlichen zu entgehn. Verschwinden! dachte er. Ehrlos werden, degradiert, drei Jahre als Gemeiner dienen oder ins Ausland fliehen! Nicht erschossen werden! Schon war ihm der Leutnant Trotta, Enkel des Helden von Solferino, ein Mensch aus einer anderen Welt, vollkommen fremd. Und er sagte laut und mit höhnender Lust: »Diese Dummheit! Diese Ehre, die in der blöden Troddel da am Säbel hängt. Man kann eine Frau nicht nach Haus begleiten! Siehst du, wie dumm das ist? Hast du nicht jenen dort« – er zeigte auf das Bild des Kaisers – »aus dem Bordell gerettet? Blödsinn!« schrie er plötzlich, »infamer Blödsinn!« Es klopfte, der Wirt kam und brachte zwei gefüllte Gläschen. Der Regimentsarzt trank. »Trink!« sagte er. Carl Joseph trank. Er begriff nicht ganz genau, was der Doktor sagte, aber er ahnte, daß Demant nicht mehr bereit war zu sterben. Die Uhr tickte ihre blechernen Sekunden. Die Zeit hielt nicht. Sieben Uhr zwanzig, sieben Uhr zwanzig! Ein Wunder mußte sich ereignen, wenn Demant nicht sterben sollte. Es ereigneten sich keine Wunder, soviel wußte der Leutnant schon! Er selbst – phantastischer Gedanke – wird morgen, sieben Uhr zwanzig, erscheinen und sagen: Meine Herren, der Demant ist verrückt geworden, in dieser Nacht, ich schlage mich für ihn! Kinderei, lächerlich, unmöglich! Er sah wieder ratlos auf den Doktor. Die Zeit hielt nicht, die Uhr steppte unaufhörlich ihre Sekunden weiter. Bald ist es vier: noch drei Stunden! »Also!« sagte schließlich der Regimentsarzt. Es klang, als hätte er schon einen Entschluß gefaßt, als wüßte er genau, was zu tun sei. Aber er wußte nichts Genaues! Seine Gedanken zogen blind und ohne Zusammenhang verworrene Bahnen durch blinde Nebel. Er wußte nichts! Ein nichtswürdiges, infames, dummes, eisernes, gewaltiges Gesetz fesselte ihn, schickte ihn gefesselt in einen dummen Tod. Er vernahm aus der Gaststube die späten Geräusche. Offenbar saß dort niemand mehr. Der Wirt steckte die klirrenden Biergläser ins plätschernde Wasser, schob die Stühle zusammen, rückte an den Tischen, klirrte mit dem Schlüsselbund. Man mußte gehn. Von der Straße, vom Winter, vom nächtlichen Himmel, von seinen Sternen, vom Schnee vielleicht kamen Rat und Trost. Er ging zum Wirt, zahlte, kam im Mantel zurück, schwarz, in einem schwarzen, breiten Hut stand er vermummt und noch einmal verwandelt vor dem Leutnant. Er erschien Carl Joseph gerüstet, stärker gerüstet als jemals in Uniform mit Säbel und Mütze. Sie gingen durch den Hof, durch den Flur zurück, in die Nacht. Der Doktor sah zum Himmel hinauf, von den ruhigen Sternen kam kein Rat, kälter waren sie als der Schnee ringsum. Finster waren die Häuser, taubstumm die Gassen, 95
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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