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Sogar der Rittmeister Taittinger, von dem das Gerücht ging, daß er bei andern
Regimentern ein paar Duelle mit tödlichem Ausgang miterlebt hatte,
veränderte sein gewohntes Gebaren. Während die Lauten und Leichtfertigen
still und kleinlaut wurden, bemächtigte sich des allezeit leisen, hageren und
genäschigen Rittmeisters eine merkwürdige Unruhe. Er konnte nicht mehr
stundenlang allein hinter der Glastür der kleinen Konditorei sitzen und
Backwerk verschlingen oder mit sich selbst oder mit dem Obersten wortlos
Schach und Domino spielen. Er fürchtete die Einsamkeit. Er klammerte sich
geradezu an die andern. War kein Kamerad in der Nähe, so betrat er einen
Laden, um irgend etwas Überflüssiges zu kaufen. Er blieb lange stehen und
plauderte mit dem Händler unnützes und törichtes Zeug und konnte sich nicht
entschließen, den Laden zu verlassen; es sei denn, daß er einen gleichgültigen
Bekannten draußen vorbeigehn sah, auf den er sich sofort stürzte.
Dermaßen hatte sich die Welt verändert. Das Kasino blieb leer. Man
unterließ die geselligen Ausflüge ins Unternehmen der Frau Resi. Die
Ordonnanzen hatten wenig zu tun. Wer einen Schnaps bestellte, dachte beim
Anblick des Glases, daß es just jenes wäre, aus dem vor ein paar Tagen noch
Tattenbach getrunken hatte. Man erzählte zwar noch die alten Anekdoten,
aber man lachte nicht mehr laut, sondern lächelte höchstens. Den Leutnant
Trotta sah man nicht mehr außerhalb des Dienstes.
Es war, als hätte eine geschwinde, zauberhafte Hand den Anstrich der
Jugend aus dem Angesicht Carl Josephs weggewaschen. Man hätte in der
ganzen kaiser- und königlichen Armee keinen ähnlichen Leutnant finden
können. Es war ihm, als müßte er jetzt etwas Besonderes tun aber weit und
breit fand sich nichts Besonderes! Es verstand sich von selbst, daß er das
Regiment verließ und in ein anderes eingereiht wurde. Er aber suchte nach
irgendeiner schwierigen Aufgabe. Er suchte in Wirklichkeit nach einer
freiwilligen Buße. Er hätte es niemals ausdrücken können, aber wir können es
ja von ihm sagen: Es bedrängte ihn unsäglich, daß er ein Werkzeug in der
Hand des Unglücks war.
In diesem Zustand befand er sich, als er seinem Vater den Ausgang des
Duells mitteilte und seine unumgängliche Transferierung zu einem anderen
Regiment ankündigte. Er verschwieg, daß ihm bei dieser Gelegenheit ein
kurzer Urlaub zustand; denn er hatte Angst, sich seinem Vater zu zeigen. Es
erwies sich aber, daß er den Alten nicht kannte. Denn der Bezirkshauptmann,
das Muster eines Staatsbeamten, wußte in den militärischen Bräuchen
Bescheid. Und merkwürdigerweise schien er sich auch in den Kümmernissen
und Verwirrungen seines Sohnes auszukennen, was zwischen den Zeilen
seiner Antwort deutlich sichtbar wurde. Die Antwort des Bezirkshauptmanns
lautete nämlich folgendermaßen:
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Buch Radetzkymarsch"
Radetzkymarsch
- Titel
- Radetzkymarsch
- Autor
- Joseph Roth
- Datum
- 1932
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 294
- Schlagwörter
- Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
- Kategorien
- Weiteres Belletristik