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Radetzkymarsch
Seite - 129 -
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Herr von Trotta versuchte, den Alten sachte in die Polster zu drücken, aber Jacques’ Oberkörper war steif und gab nicht nach. Nur sein Kopf zitterte, und seine dunkelblaue Nachtmütze zitterte ebenfalls unaufhörlich. Auf seiner gelben, hohen und knochigen Stirn glitzerten winzige Schweißperlchen. Der Bezirkshauptmann trocknete sie von Zeit zu Zeit mit seinem Taschentuch, es kamen aber immer wieder neue. Er nahm die Hand des alten Jacques, betrachtete die rötliche, schuppige und spröde Haut auf dem breiten Handrücken und den kräftigen, weit abstehenden Daumen. Dann legte er die Hand wieder sorgfältig auf die Decke, ging in die Kanzlei zurück, befahl dem Amtsdiener, den Geistlichen und eine Barmherzige Schwester zu holen, Fräulein Hirschwitz, inzwischen bei Jacques zu wachen, ließ sich Hut, Stock und Handschuhe reichen und schritt zu dieser ungewohnten Stunde in den Park, zur Überraschung aller, die sich dort befanden. Es trieb ihn aber bald aus dem tiefen Schatten der Kastanien ins Haus zurück. Als er sich seiner Tür näherte, vernahm er das silberne Geläute des Priesters mit dem Allerheiligsten. Er zog den Hut und neigte den Kopf und verharrte so vor dem Eingang. Manche der Vorübergehenden blieben ebenfalls stehn. Nun verließ der Priester das Haus. Einige warteten, bis der Bezirkshauptmann im Hausflur verschwunden war, folgten ihm neugierig und erfuhren vom Amtsdiener, daß Jacques im Sterben liege. Man kannte ihn im Städtchen. Und man widmete dem Alten, der von dannen schied, ein paar Minuten ehrfürchtigen Schweigens. Der Bezirkshauptmann durchschritt geradewegs den Hof und trat in das Zimmer des Sterbenden. Bedächtig suchte er in der dunklen Küche nach einem Platz für Hut, Stock und Handschuhe, versorgte schließlich alles in den Fächern der Etagere, zwischen Töpfen und Tellern. Er schickte Fräulein Hirschwitz hinaus und setzte sich ans Bett. Die Sonne stand nun so hoch am Himmel, daß sie den ganzen weiten Hof der Bezirkshauptmannschaft erfüllte und durch das Fenster in Jacques’ Stube fiel. Die weiße, kurze Gardine hing jetzt wie ein fröhliches, besonntes Schürzchen vor den Scheiben. Der Kanarienvogel zwitscherte munter und ohne Unterlaß; die nackten, blanken Dielenbretter leuchteten gelblich im Sonnenglanz; ein breiter, silberner Sonnenstreifen lag über dem Fußende des Bettes, der untere Teil der weißen Bettdecke zeigte nunmehr eine stärkere, gleichsam himmlische Weiße, und zusehends kletterte der Sonnenstreifen auch die Wand empor, an der das Bett stand. Von Zeit zu Zeit ging ein sanfter Wind im Hof durch die paar alten Bäume, die dort die Mauern entlang aufgestellt waren und die so alt sein mochten wie Jacques oder noch älter und die ihn jeden Tag in ihrem Schatten beherbergt hatten. Der Wind ging, und ihre Kronen säuselten, und Jacques schien es zu wissen. Denn er erhob sich und sagte: »Bitte, Herr Baron, das Fenster!« Der Bezirkshauptmann klinkte das Fenster auf, und sofort drangen 129
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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