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Radetzkymarsch
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Schatten des Gebälks wurde langsam breiter und länger. Die Fliegen summten rings um den Backenbart des Bezirkshauptmanns. Von Zeit zu Zeit schlug er nach ihnen mit der Hand, und seine Manschette schepperte. Zum erstenmal, seitdem er im Dienste seines Kaisers stand, tat er am hellichten Wochentag gar nichts. Er hatte niemals das Bedürfnis gehabt, einen Urlaub zu nehmen. Zum erstenmal erlebte er einen freien Tag. Er dachte fortwährend an den alten Jacques und war dennoch fröhlich. Der alte Jacques starb, aber es war, als feierte er ein großes Ereignis und der Bezirkshauptmann hätte aus diesem Anlaß seinen ersten Ferientag. Auf einmal hörte er die Barmherzige Schwester aus der Tür treten. Sie erzählte, daß Jacques, anscheinend bei klarer Vernunft und ohne Fieber, aus dem Bett aufgestanden und eben im Begriff sei, sich anzuziehn. In der Tat erblickte der Bezirkshauptmann gleich darauf den Alten am Fenster. Er hatte Pinsel, Seife und Rasiermesser auf das Fensterbrett gelegt, wie er es an gesunden Tagen jeden Morgen zu tun pflegte, und den Handspiegel an der Fensterschnalle aufgehängt, und er war im Begriff, sich zu rasieren. Jacques öffnete das Fenster, und mit seiner gesunden, gewohnten Stimme rief er: »Es geht mir gut, Herr Baron, ich bin ganz gesund, bitte um Entschuldigung, bitte, sich nicht zu inkommodieren!« »Na, dann ist alles gut! Das freut mich, freut mich außerordentlich. Jetzt wirst du als Franz Xaver Joseph ein neues Leben beginnen!« »Ich bleib’ lieber beim Jacques!« Herr von Trotta, von solch wunderbarem Ereignis erfreut, aber auch ein wenig ratlos, kehrte auf seine Bank zurück, bat die Barmherzige Schwester, für alle Fälle noch dazubleiben, und fragte sie, ob ihr derlei schnelle Heilungen bei so bejahrten Menschen bekannt seien. Die Schwester, die Blicke auf den Rosenkranz gesenkt und die Antwort mit den Fingern zwischen den Perlen hervorklaubend, erwiderte, daß Gesundung und Erkrankung, schnelle und langsame, in der Hand Gottes lägen; und Sein Wille hätte schon oft sehr schnell aus Sterbenden Lebendige gemacht. Eine wissenschaftlichere Antwort hätte dem Bezirkshauptmann besser gefallen. Und er beschloß, morgen den Bezirksarzt zu fragen. Vorläufig ging er in die Kanzlei, von einer großen Sorge zwar befreit, aber auch erfüllt von einer noch größeren und unerklärlichen Unruhe. Er konnte nicht mehr arbeiten. Dem Wachtmeister Slama, der schon lange auf ihn gewartet hatte, gab er Anweisungen für das Fest der Sokoln, aber ohne Strenge und Nachdruck. Alle Gefahren, von denen der Bezirk W. und die Monarchie bedroht waren, erschienen Herrn von Trotta auf einmal geringer als am Vormittag. Er verabschiedete den Wachtmeister, rief ihn aber gleich darauf zurück und sagte: »Hören Sie Slama, ist Ihnen schon so was zu Ohren gekommen, der 132
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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