Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Weiteres
Belletristik
Radetzkymarsch
Seite - 141 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 141 - in Radetzkymarsch

Bild der Seite - 141 -

Bild der Seite - 141 - in Radetzkymarsch

Text der Seite - 141 -

aneinander auf länglicher Schüssel, begleitet von rotbäckigen Radieschen, die an kleine, knusprige Dorfmädchen erinnerten. Gekocht, gebraten und mit süß- säuerlichen Zwiebeln mariniert, lagen die fetten, breiten Karpfenstücke und die schmalen, schlüpfrigen Hechte auf Glas, Silber und Porzellan. Runde Brote, schwarz, braun und weiß, ruhten in einfachen, ländlich geflochtenen Strohkörbchen wie Kinder in Wiegen, kaum sichtbar zerschnitten, und die Scheiben so kunstvoll wieder aneinandergefügt, daß die Brote heil und ungeteilt aussahen. Zwischen den Speisen standen fette, bauchige Flaschen und schmale, hochgewachsene, vier- und sechskantige Kristallkaraffen und glatte, runde; solche mit langen und andere mit kurzen Hälsen; mit und ohne Etiketten; und alle gefolgt von einem Regiment vielgestaltiger Gläser und Gläschen. Sie begannen zu essen. Dem Bezirkshauptmann war diese ungewöhnliche Art, zu einer ungewöhnlichen Stunde einen »Imbiß« einzunehmen, ein äußerst angenehmes Anzeichen für die außergewöhnlichen Sitten der Grenze. In der alten kaiser- und königlichen Monarchie waren selbst spartanische Naturen wie Herr von Trotta beachtenswerte Liebhaber von Genüssen. Es war schon eine geraume Zeit seit dem Tage verflossen, an dem der Bezirkshauptmann außergewöhnlich gegessen hatte. Der Anlaß war damals das Abschiedsfest des Statthalters, des Fürsten M., gewesen, der mit einem ehrenvollen Auftrag in die frisch okkupierten Gebiete von Bosnien und Herzegowina abgegangen war, dank seinen berühmt gewordenen Sprachkenntnissen und seiner angeblichen Kunst, »wilde Völker zu zähmen«. Ja, damals hatte der Bezirkshauptmann ungewöhnlich gegessen und getrunken! Und dieser Tag, neben andern Trink- und Gelagetagen, hatte sich in seiner Erinnerung ebenso stark erhalten wie die besonderen Tage, an denen er eine Belobung der Statthalterei bekommen hatte, wie die Tage, an denen er zum Bezirksoberkommissär und später zum Bezirkshauptmann ernannt worden war. Die Vorzüglichkeit der Nahrung schmeckte er mit den Augen wie andere mit dem Gaumen. Sein Blick schweifte ein paarmal über den reichen Tisch und genoß und verweilte hier und dort im Genießen. Er hatte die geheimnisvolle, ja etwas unheimliche Umgebung beinahe vergessen. Man aß. Man trank aus den verschiedenen Flaschen. Und der Bezirkshauptmann lobte alles, indem er, sooft er von einer Speise zur andern überging, »delikat« und »ausgezeichnet« sagte. Sein Angesicht rötete sich langsam. Und die Flügel seines Backenbartes bewegten sich fortwährend. »Ich habe die Herren hierher eingeladen«, sagte Chojnicki, »weil wir im ›neuen Schloß‹ nicht ungestört gewesen wären. Dort ist meine Tür sozusagen immer offen, und alle meine Freunde können kommen, wann sie wollen. 141
zurück zum  Buch Radetzkymarsch"
Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Radetzkymarsch