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Radetzkymarsch
Seite - 147 -
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berührten die Flasche. Der Sohn bemerkte zwei und mehr Väter, sie vermehrten sich mit jeder Sekunde. Er fühlte sich von ihnen bedrängt, es hatte keinen Sinn, so vielen von ihnen den Respekt zu erweisen, der nur dem einen gebührte, und vor ihnen allen aufzustehn. Es hatte keinen Sinn, der Leutnant blieb in seiner merkwürdigen Stellung, das heißt: Er saß, lag und kauerte zu gleicher Zeit. Der Bezirkshauptmann regte sich nicht. Sein Gehirn arbeitete sehr geschwind, es gebar tausend Erinnerungen auf einmal. Er sah zum Beispiel den Kadetten Carl Joseph an den sommerlichen Sonntagen, an denen er im Arbeitszimmer gesessen hatte, die schneeweißen Handschuhe und die schwarze Kadettenmütze auf den Knien, mit klingender Stimme und gehorsamen, kindlichen Augen jede Frage beantwortend. Der Bezirkshauptmann sah den frisch ernannten Leutnant der Kavallerie in das gleiche Zimmer treten, blau, golden und blutrot. Dieser junge Mann aber war von dem alten Herrn von Trotta jetzt ganz weit entfernt. Warum tat es ihm so weh, einen fremden, betrunkenen Jägerleutnant zu sehn? Warum tat es ihm so weh? Der Leutnant Trotta rührte sich nicht. Zwar vermochte er sich zu erinnern, daß sein Vater vor kurzem angekommen war, und noch zur Kenntnis zu nehmen, daß nicht dieser eine, sondern daß mehrere Väter vor ihm standen. Aber weder gelang es ihm, zu begreifen, warum sein Vater gerade heute gekommen war, noch, warum er sich so heftig vermehrte, noch, warum er selbst, der Leutnant, nicht imstande war, sich zu erheben. Seit mehreren Wochen hatte sich der Leutnant Trotta an den Neunziggrädigen gewöhnt. Der ging nicht in den Kopf, er ging, wie die Kenner zu sagen liebten, »nur in die Füße«. Zuerst erzeugte er eine angenehme Wärme in der Brust. Das Blut begann, schneller durch die Adern zu rollen, der Appetit löste die Übelkeit ab und die Lust zu erbrechen. Dann trank man noch einen Neunziggrädigen. Mochte der Morgen kühl und trübe sein, man schritt mutig und in der allerbesten Laune in ihn hinein wie in einen ganz sonnigen, glücklichen Morgen. Während der Rast aß man in der Grenzschenke, in der Nähe des Grenzwaldes, wo die Jäger exerzierten, in Gesellschaft der Kameraden eine Kleinigkeit und trank wieder einen Neunziggrädigen. Er rann durch die Kehle wie ein geschwinder Brand, der sich selber auslöscht. Man fühlte kaum, daß man gegessen hatte. Man kehrte in die Kaserne zurück, zog sich um und ging zum Bahnhof, Mittag essen. Obwohl man einen weiten Weg zurückgelegt hatte, war man gar nicht hungrig. Und man trank infolgedessen noch einen Neunziggrädigen. Man aß und war sofort schläfrig. Man nahm also einen Schwarzen und hierauf wieder einen Neunziggrädigen. Und kurz und gut: Es gab niemals im Lauf des langweiligen Tages eine Gelegenheit, keinen Schnaps zu trinken. Es gab im Gegenteil manche Nachmittage und manche Abende, an denen es geboten 147
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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