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Radetzkymarsch
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war, Schnaps zu trinken. Denn das Leben wurde leicht, sobald man getrunken hatte! Oh, Wunder dieser Grenze! Sie machte einem Nüchternen das Leben schwer; aber wen ließ sie nüchtern bleiben?! Der Leutnant Trotta sah, wenn er getrunken hatte, in allen Kameraden, Vorgesetzten und Untergebenen alte und gute Freunde. Das Städtchen war ihm vertraut, als wäre er darin geboren und aufgewachsen. Er konnte in die winzigen Kramläden gehn, die schmal, dunkel, gewunden und von allerlei Waren vollgestopft wie Hamsterlöcher in die dicken Mauern des Basars eingegraben waren, und unbrauchbare Dinge einhandeln: falsche Korallen, billige Spiegelchen, eine miserable Seife, Kämme aus Espenholz und geflochtene Hundeleinen; lediglich, weil er den Rufen der rothaarigen Händler freudig folgte. Er lächelte allen Menschen zu, den Bäuerinnen mit den bunten Kopftüchern und den großen Bastkörben unter dem Arm, den geputzten Töchtern der Juden, den Beamten der Bezirkshauptmannschaft und den Lehrern des Gymnasiums. Ein breiter Strom von Freundlichkeit und Güte rann durch diese kleine Welt. Aus allen Menschen grüßte es dem Leutnant heiter entgegen. Es gab auch nichts Peinliches mehr. Nichts Peinliches im Dienst und außerhalb des Dienstes! Alles erledigte man glatt und geschwind. Onufrijs Sprache verstand man. Man kam gelegentlich in eines der umliegenden Dörfer, fragte die Bauern nach dem Weg, sie antworteten in einer fremden Sprache. Man verstand sie. Man ritt nicht. Man lieh das Pferd dem und jenem der Kameraden: guten Reitern, die ein Roß schätzen konnten. Mit einem Wort: Man war zufrieden. Leutnant Trotta wußte nur nicht, daß sein Gang unsicher wurde, seine Bluse Flecken hatte, seine Hose keine Bügelfalte, daß an seinen Hemden Knöpfe fehlten, seine Hautfarbe gelb am Abend und aschgrau am Morgen war und sein Blick ohne Ziel. Er spielte nicht – das allein beruhigte den Major Zoglauer. Es gab im Leben eines jeden Menschen Zeiten, in denen er trinken mußte. Macht nichts, es ging vorüber! – Der Schnaps war billig. Die meisten gingen nur an den Schulden zugrunde. Der Trotta machte seinen Dienst nicht nachlässiger als die andern. Er machte keinen Skandal wie mancher andere. Er wurde im Gegenteil immer sanfter, je mehr er trank. Einmal wird er heiraten und nüchtern werden! dachte der Major. Er ist ein Günstling oberster Stellen. Er wird eine schnelle Karriere machen. Er wird in den Generalstab kommen, wenn er nur will. Herr von Trotta setzte sich vorsichtig an den Rand des Sofas neben seinen Sohn und suchte nach einem passenden Wort. Er war nicht gewohnt, zu Betrunkenen zu sprechen. »Du sollst dich« – sagte er nach längerer Überlegung – »denn doch vor dem Schnaps in acht nehmen! Ich zum Beispiel, ich habe nie über den Durst getrunken.« Der Leutnant machte eine ungeheure Anstrengung, um aus seiner respektlosen, kauernden Stellung in eine sitzende zu gelangen. Seine Mühe war vergeblich. Er betrachtete den 148
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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