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Radetzkymarsch
Seite - 154 -
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schattigen und verhängten Ecke auch einen kleinen Roulettetisch aufgestellt hatte. Hauptmann Wagner erzählte es allen und weckte Begeisterung. Den Männern, die seit vielen Jahren an der Grenze dienten, schien die kleine Kugel (und viele hatten noch nie ein Roulette gesehn) einer jener zauberischen Gegenstände der großen Welt, mit deren Hilfe der Mensch schöne Frauen, teure Pferde, reiche Schlösser auf einmal gewinnt. Wem sollte sie etwa nicht helfen, die Kugel? Alle hatten kümmerliche Knabenjahre in der Stiftsschule verlebt, harte Jünglingsjahre in den Kadettenanstalten, grausame Jahre im Dienst an der Grenze. Sie warteten auf den Krieg. Statt seiner war eine Teilmobilisierung gegen Serbien gekommen, von der man ruhmlos in die gewohnte Erwartung des mechanischen Avancements zurückkehrte. Manöver, Dienst, Kasino, Kasino, Dienst und Manöver! Sie hörten zum erstenmal die kleine Kugel rattern und wußten nun, daß das Glück selbst unter ihnen rotierte, um heute den und morgen jenen zu treffen. Fremde, blasse, reiche und stumme Herren saßen da, wie man sie niemals gesehen hatte. Eines Tages gewann Hauptmann Wagner fünfhundert Kronen. Am nächsten Tag waren seine Schulden bezahlt. Er bekam in diesem Monat zum erstenmal nach langer Zeit seine Gage unversehrt, ganze drei Drittel. Allerdings hatten Leutnant Schnabel und Leutnant Gründler je hundert Kronen verloren. Morgen konnten sie tausend gewinnen! … Wenn die weiße Kugel zu laufen begann, so daß sie selbst wie ein milchiger Kreis aussah, gezogen um die Peripherie schwarzer und roter Felder, wenn die schwarzen und roten Felder sich ebenfalls vermischten zu einem einzigen verschwimmenden Rund von unbestimmbarer Farbe, dann erzitterten die Herzen der Offiziere, und in ihren Köpfen entstand ein fremdes Tosen, als rotierte in jedem Gehirn eine besondere Kugel, und vor ihren Augen wurde es schwarz und rot, schwarz und rot. Die Knie wankten, obwohl man saß. Die Augen jagten mit verzweifelter Hast der Kugel nach, die sie nicht erhaschen konnten. Nach eigenen Gesetzen fing sie schließlich an zu torkeln, trunken vom Lauf, und blieb erschöpft in einer numerierten Mulde liegen. Alle stöhnten auf. Auch wer verloren hatte, fühlte sich befreit. Am nächsten Morgen erzählte es einer dem andern. Und ein großer Taumel ergriff sie alle. Immer mehr Offiziere kamen in den Spielsaal. Aus unerforschlichen Gegenden kamen auch die fremden Zivilisten. Sie waren es, die das Spiel beheizten, die Kasse füllten, aus Brieftaschen große Scheine zogen, aus Westentaschen goldene Dukaten, Uhren und Ketten und von den Fingern Ringe. Alle Zimmer des Hotels waren besetzt. Die schläfrigen Droschken, die immer auf ihrem Standplatz gewartet hatten, mit den gähnenden Kutschern am Bock und den mageren Schindmähren davor, wie nachgemachte Fuhrwerke im Panoptikum: auch sie erwachten, und siehe da: Die Räder konnten rollen, die mageren Mähren trabten mit klappernden Hufen vom 154
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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