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Radetzkymarsch
Seite - 159 -
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Artischocke, fliegen in eine Reihe zurück und sammeln sich schließlich zum Päckchen. Alle Karten hören auf die lautlosen Rufe der Finger. Hauptmann Wagner verfolgt dieses Vorspiel mit hungrigen Augen. Ach, er liebte die Karten! Manchmal kamen jene, die er gerufen hatte, zu ihm, und manchmal flohen sie ihn. Er liebte es, wenn seine tollen Wünsche den Fliehenden nachgaloppierten und sie endlich, endlich zur Umkehr zwangen. Manchmal freilich waren die Flüchtigen schneller, und die Wünsche des Hauptmanns mußten ermattet umkehren. Im Laufe der Jahre hatte der Hauptmann einen schwer übersichtlichen, äußerst verworrenen Kriegsplan ersonnen, in dem keine Methode, das Glück zu zwingen, außer acht gelassen war: weder die Mittel der Beschwörung noch die der Gewalt, noch die der Überrumpelung, noch die des flehentlichen Gebets und der liebestollen Lockung. Einmal mußte sich der arme Hauptmann, sobald er ein Cœur erwünschte, verzweifelt stellen und der Unsichtbaren im geheimen versichern, daß er, käme sie nicht bald, heute noch Selbstmord begehen würde; ein anderes Mal hielt er es für aussichtsreicher, stolz zu bleiben und so zu tun, als sei ihm die Heißersehnte vollkommen gleichgültig. Ein drittes Mal mußte er, um zu gewinnen, mit eigener Hand die Karten mischen, und zwar mit der Linken, eine Geschicklichkeit, die er mit eisernem Willen nach langen Übungen endlich erworben hatte; und ein viertes Mal war es nützlicher, an der rechten Seite des Bankhalters Platz zu nehmen. In den meisten Fällen allerdings galt es, alle Methoden miteinander zu verbinden oder sie sehr schnell zu wechseln, und zwar so, daß die Mitspieler es nicht erkannten. Denn dieses war wichtig. »Tauschen wir den Platz!« konnte der Hauptmann zum Beispiel ganz harmlos sagen. Und wenn er im Angesicht seines Mitspielers ein erkennendes Lächeln zu sehen glaubte, lachte er und fügte hinzu: »Sie irren sich! Ich bin nicht abergläubisch! Das Licht stört mich hier!« Erfuhren nämlich die Mitspieler etwas von den strategischen Tricks des Hauptmanns, so verrieten ihre Hände den Karten seine Absichten. Die Karten bekamen sozusagen Wind von seiner List und hatten Zeit zu fliehen. Und also begann der Hauptmann, sobald er sich an den Spieltisch setzte, so eifrig zu arbeiten wie ein ganzer Generalstab. Und während sein Gehirn diese übermenschliche Leistung vollbrachte, zogen durch sein Herz Gluten und Fröste, Hoffnungen und Schmerzen, Jubel und Bitterkeit. Er kämpfte, er focht, er litt schauderhaft. Seit den Tagen, da man hier angefangen hatte, Roulette zu spielen, arbeitete er schon über schlauen Kriegsplänen gegen die Tücke der Kugel. (Aber er wußte wohl, daß sie schwieriger zu besiegen war als die Spielkarte.) Er spielte fast immer Bakkarat, obwohl es nicht nur zu den verbotenen Spielen, sondern auch zu den verpönten gehörte. Was aber sollten ihm die Spiele, bei denen man rechnen mußte und überlegen – in einer vernünftigen Art rechnen und überlegen –, wenn seine Spekulationen schon an das 159
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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