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Radetzkymarsch
Seite - 185 -
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Sie bereit, Herr Leutnant?« Er ordnete seine Gendarmen rings um den wüsten Platz vor der Fabrik, auf dem die Versammlung stattfinden sollte. Leutnant Trotta sagte: »Ja!« und wandte ihm den Rücken. Er wartete. Er hätte gerne noch einen Neunziggrädigen getrunken, aber er konnte nicht mehr in die Schenke. Er sah den Oberjäger, den Zugsführer, den Unterjäger in der Schenke verschwinden und wieder zurückkommen. Er streckte sich ins Gras am Wegrand und wartete. Der Tag wurde immer voller, die Sonne stieg höher, und die Lieder der Bäuerinnen auf den fernen Feldern verstummten. Eine unendlich lange Zeit schien dem Leutnant Trotta seit seiner Rückkehr aus Wien verstrichen. Aus jenen fernen Tagen sah er nur noch die Frau, die heute schon im »Süden« sein mochte, die ihn verlassen hatte: Er dachte: verraten. Da lag er nun in der Grenzgarnison am Wegrand und wartete nicht auf den Feind, sondern auf die Demonstranten. Sie kamen. Sie kamen aus der Richtung der Schenke. Ihnen voran wehte ihr Gesang, ein Lied, das der Leutnant noch niemals gehört hatte. In dieser Gegend hatte man es noch kaum gehört. Es war die Internationale, in drei Sprachen gesungen. Der Bezirkskommissär Horak kannte es, berufsmäßig. Der Leutnant Trotta verstand kein Wort. Aber ihm schien die Melodie jene in Musik verwandelte Stille zu sein, die er vorher im Rücken gespürt hatte. Feierliche Aufregung bemächtigte sich des flotten Bezirkskommissärs. Er lief von einem Gendarmen zum andern. Notizbuch und Bleistift in der Hand. Noch einmal kommandierte Trotta: »Vergatterung!« Und wie eine auf Erden gefallene Wolke zog die dichte Gruppe der Demonstranten an dem starrenden, doppelten Zaun der zwei Reihen Jäger vorbei. Den Leutnant ergriff eine dunkle Ahnung vom Untergang der Welt. Er erinnerte sich an den bunten Glanz der Fronleichnamsprozession, und einen kurzen Augenblick schien es ihm, als wallte die finstere Wolke der Rebellen jenem kaiserlichen Zug entgegen. Für die Dauer eines einzigen hurtigen Augenblicks kam über den Leutnant die erhabene Kraft, in Bildern zu schauen; und er sah die Zeiten wie zwei Felsen gegeneinanderrollen, und er selbst, der Leutnant, ward zwischen beiden zertrümmert. Sein Zug schulterte das Gewehr, während drüben, von unsichtbaren Händen gehoben, Kopf und Oberkörper eines Mannes über dem dichten schwarzen und unaufhörlich bewegten Kreis der Menge erschienen. Alsbald bildete der schwebende Körper fast den genauen Mittelpunkt des Kreises. Seine Hände hoben sich in die Luft. Aus seinem Munde hallten unverständliche Laute. Die Menge schrie. Neben dem Leutnant, Notizbuch und Bleistift in der Hand, stand der Kommissär Horak. Auf einmal klappte er sein Buch zu und schritt gegen die Menge auf die andere Seite der Straße, langsam zwischen zwei funkelnden Gendarmen. »Im Namen des Gesetzes!« rief er. Seine helle Stimme übertönte den 185
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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