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Radetzkymarsch
Seite - 188 -
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Er konnte sich noch nicht im Bett bewegen, aber sein Leben war nicht mehr gefährdet. Er schrieb an seinen Vater einen kurzen Bericht. Und er war im übrigen nicht um seine Gesundheit besorgt … Er dachte daran, daß wieder Tote auf seinem Wege lagen, und er war entschlossen, endlich den Abschied zu nehmen. Mit derlei Überlegungen beschäftigt, wäre es ihm unmöglich gewesen, seinen Vater zu sehen und zu sprechen, obwohl er sich nach ihm sehnte. Er hatte eine Art Heimweh nach dem Vater, aber er wußte zugleich, daß sein Vater nicht mehr seine Heimat war. Die Armee war nicht mehr sein Beruf. Und sosehr ihm vor dem Anlaß schauderte, der ihn ins Spital gebracht hatte, sosehr begrüßte er seine Krankheit, weil sie die Notwendigkeit hinausschob, Entschlüsse auszuführen. Er überließ sich dem traurigen Karbolgeruch, der schneeweißen Öde der Wände und des Lagers, dem Schmerz, dem Verbandswechsel, der strengen und mütterlichen Milde der Pfleger und den langweiligen Besuchen der ewig heiteren Kameraden. Er las ein paar jener Bücher wieder – seit der Kadettenzeit hatte er nichts mehr gelesen –, die ihm sein Vater als Privatlektüre einst aufgegeben hatte, und jede Zeile erinnerte ihn an den Vater und an die stillen, sommerlichen Sonntagvormittage und an Jacques, an Kapellmeister Nechwal und an den Radetzkymarsch. Eines Tages besuchte ihn der Hauptmann Wagner, saß lange am Bett, ließ hier und da ein Wort fallen, stand auf und setzte sich wieder. Schließlich zog er seufzend einen Wechsel aus dem Rock und bat Trotta zu unterschreiben. Trotta unterschrieb. Es waren fünfzehnhundert Kronen. Kapturak hatte ausdrücklich Trottas Garantie gefordert. Hauptmann Wagner wurde sehr lebhaft, erzählte eine ausführliche Geschichte von einem Rennpferd, das er preiswert zu kaufen gedachte und das er in Baden laufen lassen wollte, fügte noch ein paar Anekdoten hinzu und ging sehr plötzlich weg. Zwei Tage später erschien der Oberarzt bleich und bekümmert an Trottas Bett und erzählte, daß Hauptmann Wagner tot sei. Er hatte sich im Grenzwald erschossen. Er hinterließ einen Abschiedsbrief an alle Kameraden und einen herzlichen Gruß für Leutnant Trotta. Der Leutnant dachte keineswegs an die Wechsel und an die Folgen seiner Unterschrift. Er verfiel in Fieber. Er träumte – und er sprach auch davon –, daß die Toten ihn riefen und daß es Zeit für ihn sei, von dieser Erde abzutreten. Der alte Jacques, Max Demant, Hauptmann Wagner und die unbekannten erschossenen Arbeiter standen in einer Reihe und riefen ihn. Zwischen ihm und den Toten stand ein leerer Roulettetisch, auf dem die Kugel, von keiner Hand bewegt, dennoch ohne Ende rotierte. Zwei Wochen dauerte sein Fieber. Ein willkommener Anlaß für die Militärbehörde, die Untersuchung hinauszuschieben und mehreren politischen 188
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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