Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Weiteres
Belletristik
Radetzkymarsch
Seite - 192 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 192 - in Radetzkymarsch

Bild der Seite - 192 -

Bild der Seite - 192 - in Radetzkymarsch

Text der Seite - 192 -

hatte und man rings um ihn zitterte und sein Leibarzt vor ihm log, daß er keines habe, sagte der Kaiser: »Dann ist ja alles gut!«, obwohl er von seinem Fieber wußte. Denn ein Kaiser straft nicht einen Mediziner Lügen. Außerdem wußte er, daß die Stunde seines Todes noch nicht gekommen war. Er kannte auch die vielen Nächte, in denen ihn das Fieber plagte, ohne daß seine Ärzte etwas davon wußten. Denn er war manchmal krank, und niemand sah es. Und ein anderes Mal war er gesund, und sie nannten ihn krank, und er tat, als ob er krank wäre. Wo man ihn für einen Gütigen hielt, war er gleichgültig. Und wo man sagte, er sei kalt: dort tat ihm das Herz weh. Er hatte lange genug gelebt, um zu wissen, daß es töricht ist, die Wahrheit zu sagen. Er gönnte den Leuten den Irrtum, und er glaubte weniger als die Witzbolde, die in seinem weiten Reich Anekdoten über ihn erzählten, an den Bestand seiner Welt. Aber es ziemt einem Kaiser nicht, sich mit Witzbolden und Weltklugen zu messen. Also schwieg der Kaiser. Obwohl er sich erholt hatte, der Leibarzt mit seinem Puls, seinen Lungen, seiner Atmung zufrieden war, hatte er seit gestern Schnupfen. Es fiel ihm nicht ein, diesen Schnupfen merken zu lassen. Man konnte ihn hindern, die Herbstmanöver an der östlichen Grenze zu besuchen, und er wollte noch einmal, und einen Tag wenigstens, Manöver sehen. Er hatte sich durch den Akt dieses Lebensretters, dessen Name ihm schon wieder entfallen war, an Solferino erinnert. Er hatte Kriege nicht gern (denn er wußte, daß man sie verliert), aber das Militär liebte er, das Kriegsspiel, die Uniform, die Gewehrübungen, die Parade, die Defilierung und das Kompanieexerzieren. Es kränkte ihn zuweilen, daß die Offiziere höhere Kappen trugen als er selbst, Bügelfalten und Lackschuhe und viel zu hohe Kragen an der Bluse. Viele waren sogar glatt rasiert. Unlängst erst hatte er einen glattrasierten Landwehroffizier zufällig auf der Straße gesehen, und sein Herz war den ganzen Tag bekümmert gewesen. Wenn er aber selbst zu den Leuten hinkam, wußten sie wieder, was Vorschrift war und was Firlefanz. Den und jenen konnte man derber anfahren. Denn beim Militär schickte sich auch für den Kaiser alles, beim Militär war sogar der Kaiser ein Soldat. Ach! Er liebte das Blasen der Trompeten, obwohl er immer so tat, als interessierten ihn die Aufmarschpläne. Und obwohl er wußte, daß Gott selbst ihn auf seinen Thron gesetzt hatte, kränkte es ihn dennoch in mancher schwachen Stunde, daß er nicht Frontoffizier war, und er hatte was auf dem Herzen gegen die Stabsoffiziere. Er erinnerte sich, daß er nach der Schlacht bei Solferino die disziplinlosen Truppen auf dem Rückweg wie ein Feldwebel angebrüllt und wieder geordnet hatte. Er war überzeugt – aber wem durfte er es sagen! –, daß zehn gute Feldwebel mehr leisteten als zwanzig Generalstäbler. Er sehnte sich nach Manövern! Er beschloß also, seinen Schnupfen nicht merken zu lassen und sein 192
zurück zum  Buch Radetzkymarsch"
Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Radetzkymarsch