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Radetzkymarsch
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einem angeborenen gläubigen Gefühl, daß der Tote im Himmel sei und ihn sehen könne, so sah der Bezirkshauptmann doch nur den bekannten Plafond seines Zimmers; denn er war dem einfachen Glauben entflohen, und seine Sinne gehorchten nicht mehr dem Gebot seines Herzens. Ach, es war ein Jammer. Hie und da vergaß der Bezirkshauptmann sogar, an gewöhnlichen Tagen ins Amt zu gehen. Und es konnte geschehen, daß er zum Beispiel an einem Donnerstagmorgen den schwarzen Schlußrock anlegte, um die Kirche zu besuchen. Draußen erst merkte er an allerlei unbezweifelbaren wochentäglichen Anzeichen, daß es nicht Sonntag war, und er kehrte um und zog wieder seinen gewöhnlichen Anzug an. Umgekehrt aber vergaß er an manchen Sonntagen den Kirchenbesuch, blieb trotzdem länger im Bett als gewöhnlich und erinnerte sich erst, wenn der Kapellmeister Nechwal unten mit seinen Musikanten erschien, daß es Sonntag war. Es gab Tafelspitz mit Gemüse wie an allen Sonntagen. Und zum Kaffee kam der Kapellmeister Nechwal. Man saß im Herrenzimmer. Man rauchte eine Virginier. Auch der Kapellmeister Nechwal war älter geworden. Bald sollte er in Pension gehen. Er fuhr nicht mehr so häufig nach Wien, und die Witze, die er erzählte, glaubte selbst der Bezirkshauptmann seit langen Jahren genau zu kennen. Er verstand sie noch immer nicht, aber er erkannte sie, ähnlich wie manche Menschen, denen er immer wieder begegnete und deren Namen er dennoch nicht wußte. »Was machen die Ihrigen?« fragte Herr von Trotta. »Danke, es geht ihnen ausgezeichnet!« sagte der Kapellmeister. »Die Frau Gemahlin?« »Befindet sich wohl!« »Die Kinder?« (denn der Bezirkshauptmann wußte noch immer nicht, ob der Kapellmeister Nechwal Söhne oder Töchter hatte, und fragte deshalb seit mehr als zwanzig Jahren vorsichtig nach den »Kindern«). »Der älteste ist Leutnant geworden!« erwiderte Nechwal. »Infanterie natürlich?« fragte gewohnheitsmäßig Herr von Trotta und erinnerte sich einen Augenblick darauf, daß sein eigener Sohn jetzt bei den Jägern diente und nicht bei der Kavallerie. »Jawohl, Infanterie!« sagte Nechwal. »Er kommt nächstens zu Besuch. Ich werde mir erlauben, ihn vorzustellen!« »Bitte, bitte, wird mich sehr freuen!« sagte der Bezirkshauptmann. Eines Tages kam der junge Nechwal. Er diente bei den Deutschmeistern, war vor einem Jahr ausgemustert worden und sah nach der Meinung Herrn von Trottas »wie ein Musikant« aus. »Ganz dem Vater ähnlich«, sagte der Bezirkshauptmann, »Ihnen aus dem Gesicht geschnitten«, obwohl der junge Nechwal eher seiner Mutter als dem Kapellmeister ähnlich war. »Wie ein Musikant«: Damit meinte der Bezirkshauptmann eine ganze bestimmte unbekümmerte Forschheit im Angesicht des Leutnants, einen winzigen, blonden, aufgezwirbelten Schnurrbart, der wie eine waagerechte, 205
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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