Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Weiteres
Belletristik
Radetzkymarsch
Seite - 215 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 215 - in Radetzkymarsch

Bild der Seite - 215 -

Bild der Seite - 215 - in Radetzkymarsch

Text der Seite - 215 -

Deine Entschlüsse mitzuteilen. Dein Vater« Herr von Trotta blieb lange Zeit vor seinem Brief sitzen. Er las ein paarmal die wenigen Sätze, die er geschrieben hatte. Sie klangen ihm wie sein Testament. Es wäre ihm niemals früher eingefallen, seinen väterlichen Charakter für wichtiger zu halten als seinen amtlichen. Da er nun aber mit diesem Brief die Befehlsgewalt über seinen Sohn niederlegte, schien es ihm, daß sein ganzes Leben wenig Sinn mehr hätte und daß er zugleich auch aufhören müßte, Beamter zu sein. Es war nichts Ehrloses, was er unternahm. Aber es kam ihm vor, daß er sich selbst einen Schimpf zufügte. Er verließ die Kanzlei, den Brief in der Hand, er ging ins Herrenzimmer. Hier entzündete er alle vorhandenen Lichter, die Stehlampe in der Ecke und die Hängelampe am Suffit und stellte sich vor dem Porträt des Helden von Solferino auf. Das Angesicht seines Vaters konnte er nicht deutlich sehen. Das Gemälde zerfiel in hundert kleine, ölige Lichtflecke und Tupfen, der Mund war ein blaßroter Strich und die Augen zwei schwarze Kohlensplitter. Der Bezirkshauptmann stieg auf einen Sessel (seit seiner Knabenzeit war er nicht auf einem Sessel gestanden), reckte sich, stellte sich auf die Zehenspitzen, hielt den Zwicker vor die Augen und konnte gerade noch die Unterschrift Mosers in der Ecke rechts auf dem Porträt lesen. Er stieg ein wenig mühsam wieder hinunter, unterdrückte einen Seufzer, wich, rückwärtsschreitend, bis zur Wand gegenüber, stieß sich heftig und schmerzlich an der Kante des Tisches und begann, das Bild aus der Ferne zu studieren. Er löschte die Deckenlampe aus. Und im tiefen Dämmer glaubte er, das Angesicht seines Vaters lebendig schimmern zu sehen. Bald näherte es sich ihm, bald entfernte es sich, schien hinter die Wand zu entweichen und wie aus einer unermeßlichen Weite durch ein offenes Fenster ins Zimmer zu schauen. Herr von Trotta verspürte eine große Müdigkeit. Er setzte sich in den Sessel, rückte ihn so zurecht, daß er gerade dem Bildnis gegenübersaß, und öffnete seine Weste. Er hörte die immer spärlicheren Tropfen des nachlassenden Regens in harten, unregelmäßigen Schlägen an den Fensterscheiben und von Zeit zu Zeit den Wind in den alten Kastanien gegenüber rauschen. Er schloß die Augen. Und er schlief ein, den Brief im Umschlag in der Hand und die Hand reglos über der Lehne des Sessels. Als er erwachte, strömte der volle Morgen schon durch die drei großen, gewölbten Fenster. Der Bezirkshauptmann erblickte zuerst das Porträt des Helden von Solferino, dann fühlte er den Brief in seiner Hand, sah die Adresse, las den Namen seines Sohnes und erhob sich seufzend. Seine Hemdbrust war zerdrückt, seine breite, dunkelrote Krawatte mit den weißen Tupfen war nach links verschoben, und auf der gestreiften Hose bemerkte 215
zurück zum  Buch Radetzkymarsch"
Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Radetzkymarsch