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Radetzkymarsch
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den Ecken des Stehkragens, fuhr noch einmal über die goldenen Knöpfe seines Fracks mit dem weißen, batistenen Taschentuch, putzte den goldenen Griff des Degens, bürstete seine Schuhe, kämmte seinen Backenbart, bezwang mit dem Kamm die spärlichen Härchen seiner Glatze, die sich immer wieder aufzustellen und zu ringeln schienen, und bürstete noch einmal die Schöße des Fracks. Er nahm den Krappenhut in die Hand. Er stellte sich vor den Spiegel und wiederholte: »Majestät, ich bitte um Gnade für meinen Sohn!« Er sah im Spiegel, wie sich die Flügel seines Backenbartes bewegten, und er hielt es für ungehörig, und er begann, den Satz so zu sprechen, daß der Bart sich nicht rührte und daß die Worte trotzdem deutlich hörbar waren. Er verspürte keinerlei Müdigkeit. Er trat noch einmal ans Fenster, wie man an ein Ufer tritt. Und er erwartete sehnsüchtig den Morgen, wie man ein heimatliches Schiff erwartet. Ja, er hatte Heimweh nach dem Kaiser. Er stand am Fenster, bis der graue Schimmer des Morgens den Himmel erhellte, der Morgenstern erstarb und die verworrenen Stimmen der Vögel den Aufgang der Sonne verkündeten. Dann löschte er die Lichter im Zimmer. Er drückte die Klingel an der Tür. Er befahl den Friseur. Er zog den Frack aus. Er setzte sich. Er ließ sich rasieren. »Zweimal«, sagte er zu dem schlaftrunkenen jungen Mann, »und gegen den Strich!« Nun schimmerte bläulich sein Kinn zwischen den silbernen Fittichen seines Bartes. Der Alaunstein brannte, der Puder kühlte seinen Hals. Für acht Uhr dreißig war er bestellt. Noch einmal bürstete er seinen schwarzgrünen Frack. Dann wiederholte er vor dem Spiegel: »Majestät, ich bitte um Gnade für meinen Sohn!« Dann schloß er das Zimmer. Er stieg die Treppe hinunter. Noch schlief das ganze Haus. Er zog an den weißen Handschuhen, glättete die Finger, streichelte die lederne Haut, blieb noch einen Augenblick vor dem großen Spiegel auf der Treppe zwischen dem ersten und dem zweiten Stock und versuchte, sein Profil zu erhaschen. Dann stieg er vorsichtig, nur mit den Fußspitzen die Stufen berührend, die rotgepolsterte Treppe hinunter, silberne Würde verbreitend, Duft von Puder und Kölnischem Wasser und den scharfen Geruch der Schuhwichse. Der Portier verbeugte sich tief. Der Zweispänner hielt vor der Drehtür. Der Bezirkshauptmann fegte mit dem Taschentuch über den Polstersitz des Fiakers und setzte sich. »Schönbrunn!« befahl er. Und er saß während der ganzen Fahrt starr im Fiaker. Die Hufe der Rösser schlugen fröhlich aufs frisch bespritzte Pflaster, und die eilenden weißen Bäckerjungen blieben stehn und sahen dem Wagen nach wie einer Parade. Wie das Glanzstück einer Parade rollte Herr von Trotta zum Kaiser. Er ließ den Wagen in einer Entfernung halten, die ihm angemessen erschien. Und er ging, mit seinen blendenden Handschuhen an beiden Seiten des schwarz-grünen Fracks, sorgfältig einen Fuß vor den andern setzend, um die glänzenden Zugstiefel vor dem Staub der Allee zu bewahren, 246
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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