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Radetzkymarsch
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Diese Stunde war ihm überhaupt ganz vertraut, die Verwirklichung einer oft vorgeträumten Begebenheit. Das Vaterland der Trottas zerfiel und zersplitterte. Daheim, in der mährischen Bezirkshauptstadt W., war vielleicht noch Österreich. Jeden Sonntag spielte die Kapelle Herrn Nechwals den Radetzkymarsch. Einmal in der Woche, am Sonntag, war Österreich. Der Kaiser, der weißbärtige, vergeßliche Greis mit dem blinkenden Tropfen an der Nase, und der alte Herr von Trotta waren Österreich. Der alte Jacques war tot. Der Held von Solferino war tot. Der Regimentsarzt Doktor Demant war tot. »Verlaß diese Armee!« hatte er gesagt. Ich werde diese Armee verlassen, dachte der Leutnant. Auch mein Großvater hat sie verlassen. Ich werd’s ihnen sagen, dachte er weiter. Wie vor Jahren im Lokal der Frau Resi fühlte er den Zwang, etwas zu tun. Gab es da kein Bild zu retten? Er fühlte den dunklen Blick des Großvaters im Nacken. Er machte einen Schritt gegen die Mitte des Zimmers. Er wußte noch nicht, was er sagen wollte. Einige sahen ihm schon entgegen. »Ich weiß«, begann er, und er wußte noch immer nichts. »Ich weiß«, wiederholte er und trat noch einen Schritt vorwärts, »daß Seine Kaiser-Königliche Hoheit, der Herr Erzherzog Thronfolger, wirklich ermordet ist.« Er schwieg. Er kniff die Lippen ein. Sie bildeten einen schmalen, blaßrosa Streifen. In seinen kleinen, dunklen Augen glomm ein helles, fast weißes Licht auf. Sein schwarzes, verworrenes Haar überschattete die kurze Stirn und verfinsterte die Falte über der Nasenwurzel, die Höhle des Zorns, das Erbteil der Trottas. Er hielt den Kopf gesenkt. An den schlaffen Armen hingen die Fäuste geballt. Alle blickten auf seine Hände. Wenn den Anwesenden das Porträt des Helden von Solferino bekannt gewesen wäre, hätten sie glauben können, der alte Trotta sei auferstanden. »Mein Großvater«, begann der Leutnant wieder, und er fühlte den Blick des Alten im Nacken, »mein Großvater hat dem Kaiser das Leben gerettet. Ich, sein Enkel, ich werde nicht zugeben, daß das Haus unseres Allerhöchsten Kriegsherrn beschimpft wird. Die Herren betragen sich skandalös!« Er hob die Stimme. »Skandal!« schrie er. Er hörte sich zum erstenmal schreien. Niemals hatte er, wie seine Kameraden, vor der Mannschaft geschrien. »Skandal!« wiederholte er. Das Echo seiner Stimme hallte wider in seinen Ohren. Der betrunkene Benkyö torkelte einen Schritt gegen den Leutnant. »Skandal!« schrie der Leutnant zum drittenmal. »Skandal!« wiederholte der Rittmeister Jelacich. »Wer noch ein Wort gegen den Toten sagt«, fuhr der Leutnant fort, »den schieß’ ich nieder!« Er griff in die Tasche. Da der betrunkene Benkyö etwas 265
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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